Vielfach fotografiert und in aller Welt bekannt - das Bauhaus Dessau / Foto: Ingo Paszkowsky
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Das Bauhaus und die Moderne in Sachsen-Anhalt – ein spannender Trip

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Vier dicht gepackte Tage auf den Spuren der Moderne in Sachsen-Anhalt:

Tag 1: Halle

Der erste Tag unserer Reise, um Zeugnisse der Moderne in Sachsen-Anhalt zu erkunden, gehört Halle an der Saale. Die Tradition der Stadt reicht von der Salzgewinnung über den Kirchen-Reformer Martin Luther, den Barock-Komponisten Georg Friedrich Händel bis hin zu den akademischen Wurzeln der Aufklärung.

Heute ist Halle Universitätsstadt mit rund 20.000 Studenten an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Und Halle ist ein schönes Städtchen, wurde gar zur grünsten Stadt Deutschlands gewählt. Und die Stadt erlitt während des 2. Weltkrieges glücklicherweise nur geringe Zerstörungen. Öffentliche Gärten und malerische Flaniermeilen entlang des Saaleufers inspirierten einst Romantiker wie Johann Wolfgang von Goethe und heute Bewohner wie Gäste gleichermaßen.

Aber schauen wir, was wir in Sachen Moderne in Halle interessantes erleben können.

Feininger-Ansichten über Halle

“Halle is the most delightful town”, schwärmte Bauhaus-Meister Lyonel Feininger 1929 gegenüber seiner Frau Julia und porträtierte Teile der bis heute erhaltenen mittelalterlichen  Altstadt Halles mit einer Serie von elf Gemälden. Diese Halle-Ansichten und 29 Kohlezeichnungen erwarb 1931 Oberbürgermeister Richard Robert Rive für das damals städtische Kunstmuseum in der Moritzburg. Feininger wollte sich damals mit seiner Frau eigentlich in Halle niederlassen, aber dann kam die barbarischen Nationalsozialisten an die Macht und erklärten den Künstler und sein Werk als “entartet”. 400 seiner Werke wurden daraufhin im Jahre 1937 aus deutschen Museen entfernt, darunter alle Werke des Kunstmuseums in Halle. Im gleichen Jahr verließ Feininger Deutschland und ging zurück in seine Heimat nach New York. Heute befinden sich wieder drei der einstmals elf Gemälde im Kunstmuseum Moritzburg Halle als Teil der Sammlungspräsentation Wege der Moderne.

Wer mehr über Feininger und sein Wirken erfahren will, kann dies mit einer geführten Tour erfahren oder die Feininger-Orte auf eigene Faust mit audiovisueller Unterstützung erkunden. Per Audio-Guide in deutscher und englischer Sprache werden Touren zu seinen Bilder-Zyklus mit Marktkirche, Dom, und Roten Turm – mit Europas größtem Glockenspiel – geboten.

Die kostenlose App können Sie im App-Store oder bei Google-Play unter Audiowalk Feininger herunterladen oder diesem Link des Kunstmuseums folgen. Wer kein Handy hat oder die App nicht herunterladen will, kann sich die Führung auch im Internet ansehen. Für Handy- und Internetmuffel gibt es auch eine kleine und feine Broschüre.


Fotostrecke: Zeugnisse der Moderne in Halle


Großartige Kunstaustellung zu Bauhaus und Moderne

Die Moritzburg – erbaut im späten Mittelalter – war zeitweise Residenz der Magdeburger Erzbischöfe. Heute residiert in der Moritzburg das Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt mit einer der wichtigsten Ausstellungen zur Klassischen Modern.

Aus einem anfänglichen kleinen Konvolut von Gemälden, Grafiken und kunsthandwerklichen Objekten des 19. Jahrhunderts haben sich die Bestände des Museums bis heute zu einer nahezu universalen Sammlung von etwa 250.000 Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen, Druckgrafiken, Fotografien, Plastiken, Objekten des Kunsthandwerks und Designs sowie Münzen, Geldscheinen und Medaillen erweitert. Sie decken die Zeit von der Antike bis in die Gegenwart ab und umfassen Objekte aus allen Teilen der Welt.

Gegenwärtig legen Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich und Team den letzten Schliff an die große Sonderausstellung Bauhaus Meister Moderne. DAS COMEBACK vor. Die große Sonderausstellung vereint hochkarätige Meisterwerke aus internationalen Sammlungen mit bislang selten bzw. noch gar nicht gezeigten Werken. Sie ist die zentrale Kunstausstellung Sachsen-Anhalts und damit neben der Eröffnung des neuen Bauhaus Museums in Dessau einer der Höhepunkte in Sachsen-Anhalt im Jubiläumsjahr „100 Jahre Bauhaus“. Am 29. September ist es soweit. Lesen Sie mehr in unserem Beitrag über die einzigartige Kunstausstellung.

Die eindrucksvollen Eisbrecher der Giebichensteinbrücke

Burg Giebichenstein: 1915 übernahm der Architekt Paul Thiersch die damalige Handwerkerschule und reformierte sie nach den Grundsätzen des Deutschen Werkbundes. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Burg zur bedeutendsten künstlerischen Ausbildungsstätte neben dem Bauhaus. Die Burg ist noch heute eine der renommiertesten Design- und Kunsthochschulen Deutschlands und lebt immer noch Ideen und visionäre Zeugnisse des neuen Bauens.

Die Giebichensteinbrücke zählt zu den bemerkenswerten Zeugnissen der historischen Baukunst. Erbaut wurde sie 1927/28. Die in konstruktiv-technischer und ebenso künstlerischer Hinsicht exponierte Brücke hat eine zentrale Bedeutung für das Straßennetz in Halle. Sie verbindet den Verkehr zwischen den Stadtteilen Giebichenstein und Kröllwitz. Die 261 Meter lange Stahlbetonmassivkonstruktion besteht aus vier unterschiedlichen breiten Segmentböden.

Mit ihren vier wohlgeformten Bögen und den riesigen Tierplastiken "Kuh und Pferd" ist die Giebichensteinbrücke ein beliebtes Fotomotiv in Halle. / Foto: Ingo Paszkowsky
Mit ihren vier wohlgeformten Bögen und den riesigen Tierplastiken “Kuh und Pferd” ist die Giebichensteinbrücke ein beliebtes Fotomotiv in Halle. / Foto: Ingo Paszkowsky

Der Hauptbogen, der bei normalem Pegelstand der Saale, den Fluss alleine überspannt, verfügt über eine Spannweite von 60 Metern. Dieser wird von seitlichen Bögen flankiert – mit einer Spannweite von 20 Metern auf dem rechten Ufer und zwei Bögen von je 11,5 Metern auf der linken Seite der Saale.

Für die künstlerische Gestaltung der Brücke wurden von der Kunstgewerbeschule Halle der Direktor Paul Thiersch bei der Architektur und der Bildhauer Gerhard Marcks zurate gezogen.  Von Marcks stammen auch die beiden Plastiken Kuh und Pferd, die als Eisbrecher Einsatz finden. Mit den Tierfiguren wollte Marcks die Gegensätzlichkeit von Stadt und Land thematisieren. Die Kuh als Verkörperung der in sich ruhenden, traditionell geprägten Landwirtschaft, im Vergleich dazu das Pferd kraftvoll und wuchtig wirkende Pferd. Die Köpfe der Tiere sind voneinander abgewendet.

Alte, moderne Großgarage nach amerikanischem Vorbild

Der Architekt und Bauunternehmer Walter Tutenberg errichtete mit der Großgarage Süd, am Rand der Luthersiedlung im Süden der Stadt Halle (Saale), ein straßenbildprägendes Parkhaus nach amerikanischem Vorbild mit 150 möglichen Stellplätzen. Das Gebäude, in Stil und Funktion des Neuen Bauens errichtet, war seiner Zeit der Architektur weit voraus und zählt zu einem der ältesten Parkhäuser Deutschlands.

Die Garage bot seit ihrer Eröffnung im Februar 1929 neben der Möglichkeit, Kraftfahrzeuge äußerst platzsparend auf vier Ebenen zu parken, zudem Dienstleistungen wie Autowäsche, Reparatur, Kurier- und Lotsendienste für die automobile Kundschaft an. Es befanden sich außerdem ein Frisiersalon, eine Tankstelle und ein Aufenthaltsraum mit Schlafgelegenheiten für die Chauffeure auf dem Gelände. Um die Wünsche der Kundschaft bemühten sich 28 Angestellte. Die drei Parkdecks mit ihren in Reihen angeordneten, von Stahljalousien verschlossenen Boxen erreichten die Wogen über einen Aufzug und eine Schiebebühne, eine sogenannte „Laufkatze”, wie sie in Werkhallen zu dieser Zeit vergleichbar verwendet wurde.

Großgarage Süd in Halle. Die kleinen roten Autos stammen von einer temporären Kunstaktion. / Foto: Ingo Paszkowsky
Großgarage Süd in Halle. Die kleinen roten Autos stammen aus einer temporären Kunstaktion. / Foto: Ingo Paszkowsky

Der eindrucksvolle Lichthof der Garage wurde von einem weiten Glasdach auf Stahl und Beton getrogen und zusätzlich durch die Glasfassade zur Pfännerhöhe taghell ausgeleuchtet. Im Kontrast dazu passte sich das Parkhaus in die dreigeschossige Wohnbebauung der Umgebung optisch ein.

Im Jahr 2009 sanierte der Bauverein Denkmal GmbH das Objekt sorgsam, allerdings wurde der Aufzug zugunsten einer Spiralauffahrt ersetzt. Daher sind von den ursprünglich 150 Boxen nur noch 88 erreichbar. In einer der für Fahrzeuge unzugänglichen Boxen informiert eine Ausstellung mit originalem Interieur und ebensolcher Technik über die damalige Zeit und veranschaulicht anhand dieses Verkehrsbaus die erste Boomperiode der Automobilisierung im 20. Jahrhundert.

Höchster Turm der Moderne

Dass der Wasserturm Süd in Halle (Saale) in der Luther-Siedlung der höchste Turm der Moderne sein soll, das glauben wir unserem Guide einfach mal. Eindrucksvoll ist er allemal. Der Bau wurde 1927 und 1928 errichtet, zu einer Zeit, als das Bauhaus Dessau in voller Blüte stand. Mit der Errichtung war Halle die erste Stadt in Deutschland, die eine zentrale Wasserversorgung von 2000 Wohnungen hatte.

Wasserturm Süd in Halle (Saale). Der Bau wurde 1927 und 1928 errichtet, zu einer Zeit, als das Bauhaus Dessau in voller Blüte stand. / Foto: Ingo Paszkowsky
Wasserturm Süd in Halle (Saale). Der Bau wurde 1927 und 1928 errichtet, zu einer Zeit, als das Bauhaus Dessau in voller Blüte stand. / Foto: Ingo Paszkowsky

Der etwa 46 Meter hohe und zehneckige Turm beherbergt einen Wasserbehälter aus Beton mit einem Fassungsvermögen von 2000 Kubikmetern, der noch in Betrieb ist. Dieser ruht auf insgesamt 20 Stahlbetonstützen, die in einem doppelten Kreis angeordnet sind. Die funktional-expressive Backsteinarchitektur, die Verblendung der Stahlbetonkonstruktion ist, entwarfen die vom Werkbund beeinflussten Architekten Wilhelm Jost (Architektur) und Oskar Muy (Konstruktion).

Innen führt eine an der Wand ringsum angebrachte Treppe bis zum Tropfboden unter dem Wasserbehälter, der drei Meter darunter befestigt ist. Durch dessen mittige Aussparung gelangt man über eine Wendeltreppe in einen Kuppelraum, der einen tollen Blick über Halle erlaubt. Früher wurde die Galerie als Schulungsraum genutzt. Weil die Wendeltreppe enorme Korrosionsschäden aufweist, ist der Zugang gesperrt. Der Turm ist nur nach Anmeldung zugänglich. Wer ihn betritt, hat nicht den Eindruck, dass das Bauwerk bald 100 Jahre alt wird, denn er macht einen modernen Eindruck.

Der Wasserturm kann auch für Veranstaltungen genutzt werden. Schön grufti ist der ist der Tiefbehälter mit einem Fassungsvermögen von 3000 Kubikmeter, der nicht mehr in Betrieb ist und betreten werden kann.

Katholischer Kirchenbau der etwas anderen Art

In unmittelbarer Nachbarschaft des Wasserturms befindet sich ein nicht minder interessanter Bau – die Katholische Pfarrkirche Zur Heiligen Dreieinigkeit. Für Bauhaus-Freunde: Dort stecken keine Bauhaus-Ideen drin, ist dennoch sehr bemerkenswert. Auf dem Eckgrundstück war 1923/24 ein Franziskanerkloster nach Planungen des Architekten Clemens Lohmer entstanden. Die 1929 nach den Plänen von Architekt Wilhelm Ulrich errichtete Pfarrkirche brach mit allen Traditionen des Kirchenbaus. Sie gilt heute als eines der Hauptwerke moderner Architektur im mitteldeutschen Raum.

Der Grund riss der Kirche ist sechseckig (hexagonal) angelegt. Er entspricht aber eher einem großen gleichschenkligen Dreieck, dessen Ecken gekappt wurden. Damit verweist er auf die Heilige Dreifaltigkeit: Gottvater, Sohn, Heiliger Geist.

Pfarrkirche Zur Heiligen Dreieinigkeit. Bereits vom Haupteingang wird der Blick zum gegenüberliegenden Altarraum gezogen. / Foto: Ingo Paszkowsky
Pfarrkirche Zur Heiligen Dreieinigkeit. Bereits vom Haupteingang wird der Blick zum gegenüberliegenden Altarraum gezogen. / Foto: Ingo Paszkowsky

Bereits vom Haupteingang wird der Blick zum gegenüberliegenden Altarraum gezogen. Der Altarraum der Kirche gleicht einer Raumwabe und wird durch sechs schlanke Stützen überhöht. Die 2010 rekonstruierte, spezielle Farbgebung in Verbindung mit der gekonnten Lichtführung im Sinne experimenteller Raumkunst ist sehr beeindruckend.

Wer sich für außergewöhnliche Kichenbauten interessiert, sollte auch unseren Beitrag über die Norte-Dame du Haut lesen, die von Le Corbusier erreichtet wurde. Oder diesen Beitrag über 10 spektakuläre moderne Kirchen.

Weiterführende Informationen über Halle und die Moderne:

https://www.moderne-halle.de/

http://www.halle.de/de/Kultur/Moderne-in-Halle/

Tag 2: Merseburg, Bitterfeld-Wolfen und Dessau

Das ehemalige Wohlfahrts- und Arbeitsamt Merseburg ist ein nach Entwurf des Merseburger Stadtbaurats Friedrich Zollinger zwischen 1926–1927 errichteter Bau. Zollinger entwickelte das nach ihm benannte Zollingerdach und das gleichnamige Schüttbetonverfahren. Die Besonderheit des dreigeschossigen Gebäudes liegt im für diese Größe ungewöhnlichen Bohlenbinderdach.

Lesen Sie über Merseburg unseren Beitrag “Bauhaus und Moderne – Merseburg feiert den Meister der Zollbau-Dächer”.

Als Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl von blühenden Landschaft sprach, vielleicht dachte er da an das künftige Bitterfeld-Wolfen. Wer Bitterfeld zu DDR-Zeiten kannte, wundert sich, dass in vergleichsweise kurzer Zeit ein bedeutender industrieller Wirtschaftsort in Mitteldeutschland mit einer intakten Umwelt entstand. Oberbürgermeister Armin Schenk selbst spricht  von einer grünen Industriestadt am See. Jährlich kommen in die Region rund 450.000 Besucher.

Wir wollen unseren Blick hier jedoch nicht auf Industrie und intakte Natur richten, sondern das heutige Rathaus von Bitterfeld-Wolfen ansehen.

1909 gründete die Agfa AG die Filmfabrik Wolfen, die später zu DDR-Zeiten mit der Marke ORWO (Abk. für Original Wolfen) das Monopol auf die Filmherstellung in der DDR hatte. Das Gebäude mit der werksinternen Nummer 041 wurde zwischen 1936–1939 im neoklassizistischen Baustil als „Wissenschaftliches Zentral-Laboratorium“ der Photographischen Abteilung der Agfa gebaut. Architekt war Regierungsbaumeister Adolf Herberger.


Fotostrecke: Rathaus Bitterfeld-Wolfen


Herberger fand eine originelle Lösung für die Errichtung eines repräsentativen Hauptgebäudes: die Verbindung von Verwaltungs- und Forschungsgebäude. Für die optimale Umsetzung der beiden Funktionen wurde zunächst der vordere zentrale Rundbau mit Ecktürmen errichtet, der als Verwaltungs- und Direktionsgebäude diente. An den Rundbau schließen sich Ost- und Westflügel in Stahlskelettbauweise an. 99 große Holzfenster bestimmen die Optik des Gebäudes, dessen Fassade aus gelbem Pfälzer Sandstein besteht.

Nach einem längeren Leerstand in Nachwendezeiten mit einer acht Millionen Euro teuren Sanierung ist die Stadt Bitterfeld-Wolfen seit 2010 mit dem Rathaus Mieter des Rundbaus. Dazu gibt es noch weitere Gewerbe-Mieter, wie ein Restaurant mit Kunsteislaufbahn.

Sehr sehenswert ist übrigens der sanierte Hörsaal. Auch die Paternoster, die leider nur noch eine beschränkte Betriebserlaubnis besitzen und daher nur in Ausnahmefällen in Betrieb gesetzt werden.

Kornhaus gleich Bauhaus

Weiter geht es nach Dessau. Wer an Dessau denkt, denkt an Architektur, Avantgarde und Design, so drückt es zumindest das Stadtmarketing Dessau-Roßlau aus.

Sehr nett und modern sei das Kornhaus, schrieb 1930 ein Bauhaus-Schüler begeistert an seine Mutter. / Foto: Ingo Paszkowsky
Sehr nett und modern sei das Kornhaus, schrieb 1930 ein Bauhaus-Schüler begeistert seiner Mutter. / Foto: Ingo Paszkowsky

Die Ausflugsgaststätte Kornhaus wurde in den Jahren 1929/30 direkt auf dem Elbdeich errichtet, entworfen vom Architekten Carl Fieger. Konzeptionell weist der Entwurf große Ähnlichkeiten mit dem Arbeitsamt und dem letzten Haustyp SieTö IV der Siedlung Dessau-Törten aus dem Büro von Walter Gropius auf, bei dem Carl Fieger angestellt war. Der Name der Gaststätte stammt übrigens von einem vormaligen Getreidespeicher an diesem Ort.

Direkt neben dem historischen Wörlitzer Bahnhof, ist das Umweltbundesamt (UBA) auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerkes im Norden der Stadt Dessau angesiedelt. Der alte Bahnhof ist Bestandteil des Dienstgebäudes. Das Hauptgebäude mit seinen 780 standardisierten Büros ist in Form einer Schlange gestaltet. Diese sehr eigenwilliger Form ist mehreren Bedingungen geschuldet. Weil kein Bürokomplex in Form einer Box entstehen sollte und aus energetischen Gründen sowie der Gestalt des Grundstücks folgend, besitzt der Bau eine “Schlangengestalt”.

Im Forum des Umweltbundesamtes. Weil kein Bürokomplex in Form einer Box entstehen sollte und aus energetischen Gründen sowie der Gestalt des Grundstücks folgend, besitzt der Bau eine "Schlangengestalt". / Foto: Ingo Paszkowsky
Weil kein Bürokomplex in Form einer Box entstehen sollte und aus energetischen Gründen sowie der Gestalt des Grundstücks folgend, besitzt der Bau eine “Schlangengestalt”. / Foto: Ingo Paszkowsky

Der große überdachte Eingangsraum – das Forum – ist für alle öffentlich zugänglich. Er verbindet mehrere Funktionen und leitet in den überdachten Innenhof des Amtes, das Atrium. Dieses ist halböffentlich und kann in erster Linie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses betreten werden. Im Rahmen von Führungen können auch externe Besucher diesen Bereich besichtigen.

Die Architekten Sauerbruch Hutton haben Ideen des Bauhauses einfließen lassen, wie die farbliche Gestaltung und den großen Glasvorbau. Wie es sich für ein Umweltbundesamt gehört, wurde der Bau zudem unter ökologischen Aspekten errichtet. Dazu gehören das Verwenden ökologischer Rohstoffe, der Einsatz erneuerbarer Energien, das Flächenrecycling, aber auch die Fußläufigkeit zum Bahnhof.

Tag 3: Dessau

Walter Gropius, 1919 Gründer des Bauhauses und bis 1928 sein Direktor, ließ das Bauhausgebäude in den Jahren 1925/26 als „Hochschule für Gestaltung“ errichten. Zusammen mit den anderen Bauhausbauten in Dessau-Roßlau zählt das Bauhausgebäude heute zu den Ikonen der Architektur des 20. Jahrhunderts. Wer einen Blick in das Innere werfen will, ohne hinzufahren, erhält einen ersten Eindruck mit dem Video der Gruppe Glasperlenspiel auf Youtube.

Am Bauhaus Dessau wurden Stils und Formen geprägt, die bis heute weltweit das Verständnis von moderner Architektur, Kunst und Design beeinflussen. Das Bauhaus, heute Sitz der Stiftung Bauhaus Dessau, steht interessierten Besuchern aus aller Welt offen, ebenso wie die Wohnhäuser der Bauhausmeister Feininger, Muche/Schlemmer und Kandinsky/Klee.


Fotostrecke: Das Bauhaus Dessau und andere Bauhaus-Perspektiven in Dessau


Mit der Wiederherstellung der Doppelhaushälfte Moholy-Nagy und des Einzelhauses für den Direktor des Bauhauses ist seit Mai 2014 der Gesamteindruck der Siedlung Meisterhäuser, die ebenso wie das Bauhaus zum UNESCO-Welterbe gehört, wieder erlebbar. Weitere zahlreiche Bauhausbauten, wie die Bauhaussiedlung Dessau Törten, das Historische Arbeitsamt und das bereits erwähnte Kornhaus finden sich im Stadtgebiet.

Must-see: Mindestens das Bauhaus Dessau und das Bauhaus Museum Dessau

Das neue Bauhaus Museum des jungen spanischen Architektenteams Addenda Architects (ehemals Gonzàlez Hinz Zabala) in der Dessauer Innenstadt bietet erstmals die Möglichkeit, die Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau umfassend zu präsentieren. Lest unseren ausführlichen Bericht über das neue Museum.

Die von Walter Gropius 1928 gebaute Versuchssiedlung Törten mit Konsumgebäude, die von Hannes Meyer geplanten Laubenganghäuser und das 1927 fertiggestellte Stahlhaus – in dem man allerdings nicht wirklich wohnen kann – stellen herausragende Beispiele des Neuen Bauens der 1920er Jahre dar. Nach dem 1. Weltkrieg war das Geld knapp. Gropius wollte Wohnungen für unter 10.000 Reichsmark bauen und errichtete in der Siedlung insgesamt 314 Häuser.

Drei ereignisreiche Tagen reichen eigentlich. Aber wenn Sie noch mehr Bauhaus und Moderne erleben wollen, hängen Sie noch einen Tag ran.

Tag 4: Wörlitzer Park und Piesteritzer Werkssiedlung

Auf zum Wörlitzer Park. Was haben die Wörlitzer Anlagen mit dem Bauhaus Dessau zu tun? Auch die Bauhaus-Kreativen nutzten den “wohl schönsten Landschaftspark Kontinental-Europas” zur Erholung und Erbauung.

Das 1765 von Fürst Leopold III. von Anhalt-Dessau angelegte Gartenreich Dessau-Wörlitz ist eine Kulturlandschaft, bestehend aus mehreren Bauten und Landschaftparks, nach englischem Vorbild. Im Jahr 2000 hat die UNESCO das Gartenreich als „herausragendes Beispiel für die Umsetzung philosophischer Prinzipien der Aufklärung“ zum Welterbe erklärt.

Am besten erlebt man den Park natürlich mit einer Bootsfahrt, hier Gondel. Nur, unser Gondoliere singt nicht, wie seine Kollegen in Venedig. Auch müssen wir mit einer etwas kürzeren, zwei Kilometer langen Tour vorlieb nehmen. Wegen des niedrigen Wasserstandes fahren wir nicht durch die Kanäle. Die Kanal-Tour wäre zwar lediglich 200 Meter länger, würde aber tiefere Einblicke in die Parklandschaft erlauben. Seit der Parkgründung gibt es bei langer Trockenheit immer mal wieder niedrigen Wasserstand. Aber erstmals in diesem Jahr ist zum zweiten Mal zu niedriger Wasserstand, berichtet der Gondoliere. Generell mache die Trockenheit dem Park stark zu schaffen. U. a. segnen Bäume eher das Zeitliche, müssen entfernt und ersetzt werden.

Aber auch ohne durch die Kanäle mit unserem Kahn zu shippern, sehen wir viel. Eine überaus interessante und schöne Parkanlage mit Weingärten, Liebeslaube und Jungfernbrücke …

Derweilen berichtet unser Gondoliere, dass es natürlich auch Kuchenfahrten und Abendfahrten mit oder ohne Bewirtung gibt. Oder, viel spannender, Konzerte. Die Musiker sitzen im Park, musizieren zu einem speziellen Thema und die Zuhörer sitzen in den Kähnen.

Weitere Informationen zum Gartenreich:

http://www.woerlitz-information.de/woerlitz-de/ku/fu_go.php

Nach dem Parkbesuch ist es Zeit an die Rückfahrt zu denken. Wir schieben noch einen letzten Bildungsstopp in Piesteritz ein, heute ein Stadtteil von Lutherstadt Wittenberg. Die Piesteritzer Werkssiedlung diente einst für die mehr als tausend Menschen des ehemaligen Reichsstickstoffwerkes als zu Hause. Sie wurde von dem Stadtplaner Georg Haberland und dem Architekten Otto Rudolf Salvisberg 1916 und gehört zur ersten autofreien Siedlung in Deutschland.

Mehr über die Siedlung lesen Sie in unserem Beitrag: Das Bauhaus und die Moderne – wichtige Fakten und Stationen.

Ingo Paszkowsky

Titelfoto / Vielfach fotografiert und in aller Welt bekannt – das Bauhaus Dessau / Foto: Ingo Paszkowsky


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Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, PR-Agenturen und bzw. oder Tourismus-Behörden.
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