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Seine Zeit am Bauhaus in Dessau war kurz, deswegen konnte der letzte Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe dort nur ein einziges Bauwerk hinterlassen: die Trinkhalle

Sachsen-Anhalt: Das Bauhaus und die Moderne – wichtige Fakten und Stationen

Das Bauhaus Dessau in Zahlen

1

Seine Zeit am Bauhaus in Dessau war kurz, deswegen konnte der letzte Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe dort nur ein einziges Bauwerk hinterlassen. Die Trinkhalle, eingelassen in die Gartenmauer der Meisterhaussiedlung. Die Trinkhalle ist auch heute noch in Betrieb.

2

Die Bauhausmeister liebten den Wörlitzer Park, es sei ihr “Juwel” gewesen, erinnerte sich später Nina Kandinsky, die Frau Wassily Kandinsky. Sobald der Flieder blühte, mietete sich das Paar Kandinsky gemeinsam mit Paul und Lily Klee einen Landauer, eine zweispännige Kutsche, und ließen sich in den Park fahren.

4

Mit ihren vier wohlgeformten Bögen und den riesigen Tierplastiken “Kuh und Pferd” ist die Giebichensteinbrücke ein beliebtes Fotomotiv in Halle. Die Plastiken gehören zu den wichtigsten Werken von Gerhard Marks, eines ehemaligen Formmeisters am Bauhaus. Er folgte 1925 dem Ruf an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein.

Mit ihren vier wohlgeformten Bögen und den riesigen Tierplastiken "Kuh und Pferd" ist die Giebichensteinbrücke ein beliebtes Fotomotiv in Halle. / Foto: Ingo Paszkowsky
Mit ihren vier wohlgeformten Bögen und den riesigen Tierplastiken “Kuh und Pferd” ist die Giebichensteinbrücke ein beliebtes Fotomotiv in Halle. / Foto: Ingo Paszkowsky

16

Von den 28 Zimmern im Atelierhaus des Dessauer Bauhausgebäudes verfügten 16 über einen eigenen kleinen Balkon. Dort, wie auch auf den großen Gemeinschaftsbalkonen, spielte sich ein Großteil des studentischen Lebens ab. Man traf sich zum guten Gespräch, gemeinsamen Essen, Musizieren oder Feiern.

23

An Modernität kaum zu überbieten war die Ausstattung der Kantinenküche im Bauhausgebäude. Es gehörte dazu eine Mischbatterie, eingebaute Schränke, ein Gasherd und Stahlrohrstühle, die 1925 von dem damals erst 23 Jahre alten Marcel Breuer entworfen waren. Seine Stahlrohrmöbel wurden zu Design-Klassikern.

Vielfach fotografiert und in aller Welt bekannt - das Bauhaus Dessau / Foto: Ingo Paszkowsky
Vielfach fotografiert und in aller Welt bekannt – das Bauhaus Dessau / Foto: Ingo Paszkowsky

363

Als in Piesteritz, heute ein Ortsteil der Lutherstadt Wittenberg, ein Stickstoffwerk errichtet wurde, beauftragte man 1916 den Stadtplaner Georg Haberland und den Architekten Otto Rudolf Salvisberg mit dem Bau einer Werkssiedlung.

Die Piesteritzer Werkssiedlung diente einst für die mehr als tausend Menschen des ehemaligen Reichsstickstoffwerkes als zu Hause.

Salvisberg entwarf eine Gartenstadt aus 363 Reihenhäusern und einigen Einfamilienhäusern. Jede Wohnung verfügte neben Innentoiletten und Badewannen auch über kleine Gärten. Was für die damalige Zeit spektakulär war.

Die Piesteritzer Werkssiedlung diente einst für die mehr als tausend Menschen des ehemaligen Reichsstickstoffwerkes als zu Hause. / Foto: Ingo Paszkowsky
Die Piesteritzer Werkssiedlung diente einst für die mehr als tausend Menschen des ehemaligen Reichsstickstoffwerkes als zu Hause. / Foto: Ingo Paszkowsky

Die Wohnungen verfügen über eine Wohnfläche von 50 bis 150 Quadratmetern.

Alle Mitarbeiter und auch die Geschäftsleitung wohnten in der Anlage. Damit die leitenden Angestellten nicht getrennt von den anderen Mitarbeitern lebten, werden die Reihenhäuserfluchten immer wieder von anderen Häusern mit gehobener Ausstattung unterbrochen.

Die Piesteritzer Werkssiedlung war übrigens die erste autofreie Siedlung in Deutschland.

Auch heute achtet der Vermieter darauf, dass sich die Autos der Mieter nur zum Be- und Entladen in der Siedlung aufhalten und anschließend auf dem zentralen Parkplatz abgestellt werden.

Im Jahre 2000 zur Expo in Hannover wurde auch die Piesteritz-Siedlung saniert. Heute, nach mehrmaligem Eigentümerwechsel, könnte das Wohngebiet wieder eine Renovierung vertragen. Dem häufigen Wechsel der Eigentümer ist sicher auch geschuldet, dass die Zufriedenheit der Mieter mit ihrer Siedlung abgenommen hat.

1929

Die Feste am Bauhaus waren legendär. Einer ihrer Höhepunkte war das “Metallische Fest”, das in einer Februarnacht im Jahr 1929 am Dessauer Bauhaus gefeiert wurde. Die Gäste erschienen als Zinnsoldaten oder Reißverschluss und tanzten, umgeben von Silberkugeln, zu scheppernden Klängen bis in die frühen Morgenstunden.

1930

Sehr nett und modern sei das Kornhaus, schrieb ein Bauhaus-Schüler begeistert an seine Mutter. Ein Besuch der Dessauer Ausflugsgaststätte, die vom Bauhaus-Architekten Carl Fieger entworfen und 1930 eröffnet worden war, gehörte zum festen sonntäglich Freizeit-Programm der Bauhäusler.

Sehr nett und modern sei das Kornhaus, schrieb 1930 ein Bauhaus-Schüler begeistert an seine Mutter. / Foto: Ingo Paszkowsky

2.000

Sie zählt zu den größten architektonischen Flächendenkmalen Europas und gehört mit ihren rund 2.000 Wohnungen zu den wichtigsten Zeugnissen des sozialen Wohnungsbaus in den 1920er Jahren – die Herman-Beims-Siedlung in Magdeburg. Sie trägt die Handschrift des visionären Architekten Bruno Taut, der für die Stadt einen Generalsiedlungsplan erarbeitet hatte.

20.000 …

… Warmwassergeräte, Einbauschränke und ein zusammenschiebbares Doppelsofa. Walter Gropius hatte sein Haus in der Dessauer Meisterhaussiedlung nicht nur zum Wohnen und Leben konzipiert, sondern auch als Ausstellungsobjekt. Die Besucher kamen in Scharen, allein zwischen 1927 und 1930 sollen es rund 20.000 gewesen sein.

Bauhaus Dessau: Meisterhaus Gropius / Foto: Ingo Paszkowsky
Bauhaus Dessau: Meisterhaus Gropius / Foto: Ingo Paszkowsky

Wichtige Meilensteine des Bauhauses Dessau

1923

Die schon 1923 zu Weimarer Bauhaus-Zeiten von Gropius proklamierte “Einheit von Kunst und Technik”, mit der die Schule eine Hinwendung zu industriellen Fertigungsmethoden vollzieht, wird in Dessau umgesetzt.

1925

Im März 1925 beschließt der Dessauer Gemeinderat auf Initiative des liberalen Oberbürgermeisters Fritz Hesse auf Fürsprache des freigeistigen Flugzeugpioniers und Unternehmers Hugo Junkers die Übernahme des Bauhauses als städtische Schule.

1926

Am 4. Dezember 1926 wird in Dessau das neue, vom Bauhaus-Gründer und Direktor Walter Gropius entworfene und von den Bauhaus-Werkstätten eingerichtete Schulgebäude eingeweiht. Parallel entsteht dazu die ebenfalls von Gropius entworfene Dessauer Meisterhaus-Siedlung, in die so berühmte Künstler wie Wassily Kandinsky, Paul Klee und Lyonel Feininger einziehen.

1927

Im April 1927 eröffnet die Architekturabteilung, zu deren Leitung der Architekt und spätere Bauhaus-Direktor Hannes Meyer ernannt wird. Daneben werden die freien Malklassen bei Paul Klee und Wassily Kandinsky eingerichtet, was erstmals eine künstlerische Ausbildung ermöglicht.

1928

Walter Gropius tritt im April 1928 als Direktor zurück, um in Berlin als Architekt zu arbeiten.

1929

tourt die Bauhaus-Bühne in Deutschland und der Schweiz mit den Bauhaus-Tänzern von Oskar Schlemmer. Im selben Jahr wird eine Fotografie-Abteilung aufgebaut, die Fotografie wird offizielles Lehrfach. Der politische Druck auf das Bauhaus nimmt zu.

1932

Am 22.August 1932 wird im Dessauer Gemeinderat der Antrag der NSDAP, den Lehrbetrieb des Bauhauses zu 1. Oktober einzustellen, angenommen. Auch der Nachfolger von Hannes Meyer, Direktor Mies von der Rohe, hatte das Bauhaus nicht mehr retten können.

1976

Die DDR entdeckte das Bauhauserbe erst 1976 wieder. Sie rekonstruierte das Bauhausgebäude denkmalgerecht und gründet das Wissenschaftlich-Kulturelle Zentrum, das unter anderem den Aufbau der heutigen Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau initiiert.

1996…

…wird das Bauhaus einer Generalsanierung unterzogen. Im selben Jahr werden das Bauhausgebäude und die Meistersiedlung in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.

2019…

…feiert das Bauhaus Dessau gemeinsam mit den beiden anderen sammlungsführenden Bauhaus-Einrichtungen in Berlin und Weimar, elf Bundesländern sowie dem Bund das 100-jährige Gründungsjubiläum des Bauhauses.

Höhepunkt der Feier in Dessau war die Eröffnung des neuen Bauhaus Museums Dessau am 8. September. Damit ist es erstmals möglich, die wertvolle, etwa 49.000 Exponate umfassende Sammlung der Stiftung Bauhaus, der weltweit zweitgrößten zum Thema Bauhaus, umfassend zu präsentieren.

Wofür das Bauhaus Dessau steht

Dessau ist die Stadt mit den meisten Original-Bauhausbauten: das Bauhausgebäude, die Meisterhäuser, die Laubenganghäuser, die Siedlung Dessau-Törten, das Kornhaus, das Stahlhaus und das historische Arbeitsamt. Jeder Bau steht dabei für sich als Prototyp.

Drei Dessauer Bauhausbauten gehören heute zum UNESCO-Weltkulturerbe:
das Bauhausgebäude, die Meisterhäuser und die Laubenganghäuser.

Das Bauhausgebäude gilt als das Schlüsselwerk der europäischen Moderne. In ihm verbinden sich die Prinzipien des Funktionalismus mit einem herausragenden architektonischen Ideenreichtum. Mit dem Bauhausgebäude wurde zugleich die Vision einer Verbindung von experimentellen Lehrformen und idealer Lebensgemeinschaft, eines gemeinschaftlichen Wohnens und Arbeitens verwirklicht.

Die Meisterhäuser, die als eine Art Experimentallabor für das neue Wohnen konzipiert worden waren, sind mit ihren weißen, kubischen Baukörpern und der Verbindung von Außen- und Innenraum bis heute richtungsweisen für die Architektur der Moderne.

Die fünf Laubenganghäuser in der Siedlung Dessau-Törten stehen exemplarisch für die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus in der Zwischenkriegszeit, entsprechen aber auch noch heutigen Bedürfnissen.

Sowohl das Bauhausgebäude als auch die Meisterhäuser haben ein große Bedeutung als Lebens- und Schaffensort der drei Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Mies von der Rohe sowie der hervorragenden Bauhauskünstler Wassily Kandinsky, Paul Klee und Lyonel Feininger.

Hier entstanden wesentliche Beiträge für die revolutionäre Erneuerung von Architektur, Kunst und Design.

Dessau besaß die über die Grenzen Deutschlands hinaus prominenteste Künstlerkolonie dieser Zeit.

In Dessau konnte Walter Gropius seine Idee von der Zusammenführung von Kunst und Technik umsetzen. In Zusammenarbeit mit der Industrie gingen die in den Bauhaus-Werkstätten entworfenen Produkte erfolgreich in industrielle Fertigungsprozesse und fanden eine weltweite Verbreitung.

Die Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau ist mit rund 46.000 Exponaten nach der Berliner Sammlung die zweitgrößte Bauhaussammlung der Welt.

Wie die von Marcel Breuer in Dessau entwickelten Stahlrohrstühle oder die Leuchten von Marianne Brandt wurden diese Produkte zu Designklassikern, die bis heute Maßstäbe für die Gestaltung setzen.

Wie das Bauhaus als Hochschule gearbeitet und gewirkt hat, wie die Ideen entstanden sind, die bis heute unsere Alterskultur prägen – das ist die Erzählung der Sammlungspräsentation “Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung”, die mit der Eröffnung des Bauhaus Museums Dessau seit Anfang September 2019 gezeigt wird.

Quelle: IMG Sachsen-Anhalt / eigene Recherche

Titelfoto / Seine Zeit am Bauhaus in Dessau war kurz, deswegen konnte der letzte Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe dort nur ein einziges Bauwerk hinterlassen: die Trinkhalle / Foto: Ingo Paszkowsky

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