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Ein Fado-Abend in der Alfama. Leseprobe Lissabon Stadtabenteuer, Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag.
Steckbrief
Wo?
Rua dos Remédios, 139-A, U-Station Santa Apolónia
Wann?
Tägl. 20 bis 2:30 Uhr
Wie lange?
Etwa 4 Stunden
Wie viel?
Menü inkl. Getränke 60 Euro (bis 12 J. 30 Euro)
Wichtig! Um sich einen Platz zu sichern, sollte man für das Abendessen ab 20 Uhr reservieren (Tel. 917029436, facebook.com/mesadefradeslisboa). Man kann auch erst zum Fado-Teil ab 23 Uhr kommen und nur etwas trinken, hat dann aber keine Platzgarantie!
Es ist spät,
als ich in der Rua dos Remédios an dem Haus mit der Nummer 139-A vorbeikomme. Die Uhr geht auf Mitternacht zu, ich bin müde, doch die Tür steht offen – und das Fado-Konzert, das hier gleich stattfindet, lockt. Das war zwar heute definitiv nicht mehr geplant, aber ich gebe mir einen Ruck und husche hinein. Normalerweise ist hier im Mesa de Frades eine Reservierung für ein Abendessen um 20 Uhr Pflicht. Doch manchmal erwischt man spätabends noch einen freien Platz an der Bar und kann auch spontan den jungen Fadistas lauschen. Der Wirt ist mit dem Abräumen der Teller beschäftigt und bedeutet mir mit einer Kopfbewegung, wohin ich mich setzen kann. Kaum halte ich ein Glas roten Hauswein in der Hand, wird die Tür geschlossen. Ein Raunen geht durchs Lokal, dann mahnt der Ruf »Silêncio, canta-se o Fado!« zur Ruhe. Es kann losgehen!
Die beiden Gitarristen haben schon Platz genommen. Noch aber ist es im Saal nicht still, Teller klappern, Stühle werden verschoben, manche Gäste reden weiter. Noch mal der Ruf »Silêncio, canta-se o Fado!« – »Ruhe, jetzt wird Fado gesungen!« Und das ist keine Bitte. Alle Tischgespräche sind während des Konzerts einzustellen. Denn wer spricht, beleidigt die Fadistas, die Sänger.
Das erste Stück beginnt, unverwechselbar der hohe Klang der zwölfsaitigen portugiesischen Gitarre und die typischen Tremolo-Passagen. Kurz darauf setzt die zweite, »normale« Gitarre ein und übernimmt den rhythmischen Teil. Die Sängerin wirft sich einen traditionellen schwarzen Schal über die Schultern, drückt die Wirbelsäule durch und beginnt zu singen.
Unaufhaltsam zieht mich die Musik in ihren Bann. Schwermütige Verse erfüllen den Raum: »Mas se a saudade nos mata/Eu quero ter muita vida/Para morrer de saudade.« –
»Wenn die Sehnsucht uns tötet, dann möchte ich viel Leben in mir haben, um an der Sehnsucht zu sterben.« Mit diesen Zeilen verlieh der berühmte Komponist Alfredo Marceneiro der »Saudade« Ausdruck, diesem kaum übersetzbaren portugiesischen Lebensgefühl von Heimweh, Sehnsucht und Melancholie.
Ich sträube mich ein bisschen, geniere mich. Doch dann ergreift die Schwermut auch mich, Tränen füllen meine Augen. Ein verstohlener Seitenblick zeigt mir, dass ich damit nicht allein im Saal bin, auch wenn die meisten ausländischen Gäste den Text vermutlich nicht verstanden haben.
Wörtlich übersetzt bedeutet »Fado« Schicksal. Und so handeln die meisten Lieder von unglücklicher Liebe, Verlust und Einsamkeit. Diese urbane Volksmusik Lissabons kam in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst in Armenvierteln wie der Mouraria und der Alfama auf. Gesungen wurde anfangs in anrüchigen Kneipen, heute hört man den Fado vor allem in gehobeneren Lokalen.
Nach einem halben Dutzend Lieder folgt eine Pause. Anschließend übernimmt ein junger Sänger. »Mas não há nada mais triste/Que andar-se uma vida á espera/Do dia que nunca chega« – »Aber es gibt nichts Traurigeres, als ein Leben lang zu warten auf den Tag, der niemals kommt.« Ich lehne mich zurück und genieße den Moment. Und bin mir fast sicher: Ein paar Tränen werden an diesem Abend noch vergossen werden.
Wenn man schon mal hier ist:
Nicht weit entfernt präsentiert das Fado-Museum die Geschichte dieser Musikform. Wer im Mesa de Frades keinen Platz bekommt, kann im Clube de Fado gute Profikünstler hören (tägl. 20 – 2 Uhr, Rua S. João da Praça, 94, U-Bahnstation Terreirodo Paço, Tel.218852704, https://www.clubedefado.pt/de/anfang/). Oder er besucht eine der anderen Fado-Kneipen der Alfama, z. B. Bela – Vinhos e Petiscos (Rua dos Remédios, 190, facebook.com/bela.vinhosepetiscos).
Quelle: Michael Müller Verlag
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Titelfoto / Lissabon ist die Stadt des Fado. Foto: Ingo Paszkowsky