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Europäische Reitkunst des 18. Jahrhunderts an Hofreitschule

„Terre-à-terre“, „Mezair“, „Redopp“, „Kapriole“, „Piaffe“ oder „Passage“ sind längst vergessene Kunstgangarten edler Pferde, die an der einzigen Hofreitschule Deutschlands wiederbelebt wurden. „Mit der Hofreitschule ist ein einzigartiges Gesamtkunstwerk barocker Kulturgeschichte entstanden“, sagt Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe. In Reithalle und Marstall seiner Residenz im niedersächsischen Schloss Bückeburg betreiben Direktorin Christin Krischke und ihr Mann, Hofreitmeister Wolfgang, Zucht, Ausbildung und Vorführungen majestätischer Hengste. Insgesamt 26 Rösser von 8 Rassen stehen in den 1619 erbauten Stallungen.

Tochter Diana Krischke, die Kuratorin. Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)
Tochter Diana Krischke, die Kuratorin. Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)

Einmal wiederentdeckt, ist die Barocke Reitkunst heute zu einer Glaubensfrage innerhalb der gesamten Reiterschaft geworden, die immer mehr Anhänger findet. Weltweit gibt es heute wieder fünf Hofreitschulen, alle samt der Barocken Reitkunst oder auch klassischen Lehre folgend. Die Hofreitschule Bückeburg verfolgt nicht nur das Ziel, die alten höfischen Traditionen wieder zu beleben, sondern vielmehr die Philosophie der klassischen Reitkunst zu vermitteln.

Bereits vor 400 Jahren entstand die so genannte Hohe Schule, die nicht nur als feinsinnige, kultivierte Art der Reiterei erscheint, sondern auch als schonendste Methode, um die Pferde so lange wie möglich gesund zu erhalten. Das französische Wort Légèreté (Leichtigkeit) beschreibt das zentrale Prinzip dieser Schule: der sanftmütige Umgang mit dem Pferd auf der Basis der Freiwilligkeit sowie die vollkommene Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Im Barock galt es als Kunst, ein Pferd ohne Zwang zu schulen. Gleichzeitig war es ein absolutes Muss, im Sattel eine „gute Figur“ zu machen, man durfte die Reiterhilfen nicht sehen, Reiten musste spielerisch, souverän und beiläufig aussehen, ungeachtet allerschwierigster Lektionen. Die Hengste werden generell einhändig geritten – eine Kunst, die heutzutage nur noch wenige Reiter üben und praktizieren. Überraschenderweise erhält die barocke Reitkunst die Pferde länger gesund, als Mutter Natur dies von sich aus vorsieht: Bis ins Alter von 25, 28 oder gar 30 Jahren sind die Schulhengste voll einsatzfähig. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund beachtlich, dass einer Studie zufolge das durchschnittliche Höchstalter eines Pferdes in Deutschland derzeit 8 Jahre beträgt.

Das in der Hofreitschule demonstrierte Wissen über die Reitkunst stammt aus den Schriften alter Reitmeister, wie z. B. Xenophon, Pluvinel, La Guérinière, Baucher. Dabei kommen nicht alle Ausbildungsmethoden und Ausrüstungen der damaligen Zeit zum Einsatz, insbesondere jene nicht, die dem Tierschutzempfinden der Hofbereiter entgegenstehen. Der harmonische und leichte Umgang mit dem Pferd kann in der Fürstlichen Hofreitschule nicht nur erlebt sondern auch erlernt werden. Für interessierte und aktive Reiter bietet Familie Krischke exklusiven Unterricht auf dem eigenen Pferd und Seminare an.

Christin Krischke auf ihrem Vollblutlusitano Ulysses. Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)
Christin Krischke auf ihrem Vollblutlusitano Ulysses. Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)

Reitkünste auf höchstem Niveau

Die Fürstliche Hofreitschule bietet Vorführungen und Inszenierungen rund um das Kulturerbe der Reitkunst. Die Hofbereiter erwecken das höfische Leben zu Zeiten der Kaiser und Könige neu. Schönheit und Anmut der noblen Reitkunsthengste und der friedvolle Umgang verzaubern jeden Gast. Die Reitkunstvorführung im Reithaus ist die Präsentation verschiedener Schulhengste in Remonten- und Hoher Schule, unter dem Damensattel, am Pilaren und am Langen Zügel, in den Schulen über der Erde, in den Kunstgangarten und in der Angewandten Reitkunst. In barocker Gewandung erklären die Hofbereiter anschaulich die Hintergründe der Pferderassen, der Reitkunst und der höfischen Kultur zu dezenter klassischer Musik. Die Höfische Reitkunst ist eine umfangreichere Reitkunstvorführung von 60 Minuten. Mit über zehn Hengsten wird die ganze Vielfalt der barocken Pferderassen gezeigt (Berber, Andalusier, Lusitano, Genete, Knabstrupper, Frederiksborger, Lipizzaner) prächtig geschmückt im Damensattel, am Pilaren und am Langen Zügel, in den Schulen über der Erde, Kunstgangarten und in der Angewandten Reitkunst. Die Gala der Reitkunst, auch die Weihnachts- und Oster-Specials sind die prächtigsten Shows der Fürstlichen Hofreitschule: Eindrucksvolle Inszenierungen höchster Reitkunst mit Kostümen aus unterschiedlichsten Epochen und Kulturkreisen. Die schönsten Schulhengste tanzen mit den Hofbereitern bei Lichttechnik und Specialeffects.

Neugierige Rösser. Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)
Neugierige Rösser. Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)

Historie im Hintergrund

Ergänzt wird das unmittelbare Erleben der seltenen Pferde mit einem Besuch im historischen Marstall. Der Stall der Fürstlichen Hengste, das Marstallmuseum und die Museumsboutique bieten einen umfassenden Überblick über die Geschichte der klassischen Reitkunst. 20 edle Hengste der acht bis heute erhaltenen Barockpferderassen stehen in geräumigen Boxen, zu denen die Gäste direkten Zugang haben. Zu besichtigen sind Themenvitrinen mit 1000 Ausstellungsstücken aus fünf Jahrhunderten von vier Kontinenten, Preziosen aus dem Besitz des Fürstenhauses, vierzehn unterschiedliche Sättel zum Probesitzen in der begehbaren Sattelkammer der Hofbereiter und die Gewänder des Reiterensembles. Die Hofreitschule ist eingebettet in das Ensemble des Schlosses Bückeburg, seit über 700 Jahren Sitz des Fürstenhauses zu Schaumburg-Lippe.

Günter Knackfuss

Titelfoto / Der Hofreitmeister auf seinem Weltchampion, dem Berberhengst Raisulih el Hadi. / Foto: Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)

Vorführung im Damensitz. Foto: : Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)
Vorführung im Damensitz. Foto: : Niels Stappenbeck (www.stappenbeck-foto.de)

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