Frankreich/Straßburg – Der Wind pfeift durchs Gemäuer, während man selbst beim Aufstieg auf das Straßburger Münster fast schon auf dem letzten Loch pfeift. Nach 329 Stufen vorbei an Dächern, Strebebögen, Statuen und Monster-Wasserspeiern, die die Fassade bevölkern, sind wir oben auf der Plattform der Kathedrale angelangt. Schon von weithin sichtbar überragt sie ihre Stadt. Immerhin war Notre-Dame de Strasbourg, deren Bau sich bis zur Fertigstellung der Turmspitze 1439 über drei Jahrhunderte hinzog, bis ins 19. Jahrhundert das höchste Bauwerk der Christenheit. Das Münster, errichtet aus dem roten Sandstein der Vogesen, gilt als eines der schönsten gotischen Baudenkmäler.
Für unsere Strapazen beim Aufstieg werden wir aber reich belohnt: Ein grandioses Panorama empfängt uns auf der windumtosten Plattform. Der Lärm der Menschen unten auf dem Platz vor dem Münster dringt nur gedämpft hinauf. Unter uns liegt die schöne Altstadt Straßburgs. Immerhin zählt das historische Zentrum der Hauptstadt des Elsass zum UNESCO-Weltkulturerbe. 1998 konnte Straßburg seine 2000-jährige Geschichte feiern, das an der Schnittstelle romanischer und germanischer Kultur liegt. Es gilt als Symbol der Versöhnung zwischen den europäischen Völkern. Somit ist es kaum verwunderlich, dass die Stadt heute der Sitz von gut 15 europäischen Institutionen ist, unter das Europäische Parlament, das im Wechsel mit Brüssel hier einmal monatlich tagt. Zugleich ist diese Stadt, die gerade mal 270.000 Einwohner hat, reich an kulturellen und architektonischen Schätzen.
Kompakt und damit vergleichsweise schnell zu entdecken ist diese malerische Metropole: ob zu Fuß, mit dem Boot, der Mini-Tram oder mit dem Rad. Ideal ist Straßburg damit für einen kurzen Städtetrip. Gerade jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit verwandelt sich die pittoreske Stadt in ein heimeliges, stimmungsvolles Weihnachtsdorf von anno dazumal.
Wir genießen den Ausblick bis weit in das Umland Straßburgs, erkennen, während unser Blick über die Dachpfannen der Altbauten schweift, den Vierungsturm des Europaparlaments, entdecken in direkter Nachbarschaft das Kunstmuseum Palais Rohan, schauen empor zu dem achteckigen Nordturm bis seiner filigran durchbrochenen Spitze, den der Kölner Bildhauer Johann Hültz erschaffen hatte. Pläne für einen Südturm gab es ebenfalls, doch wurden sie nie realisiert. Ihr eintürmiges Erscheinungsbild macht aber auch den besonderen Reiz von Notre-Dame-de-Strasbourg aus, die auch ansonsten reich an kunsthistorischen Schätzen ist. Allen voran sei die Astronomische Uhr genannt, deren Mechanik bis heute funktioniert und die ein Publikumsmagnet ist. 1547 von Schweizer Uhrmachern konstruiert und während der Revolutionswirren außer Landes gebracht, hat der Straßburger Uhrmacher Jean-Baptiste Schwilgué 1842 ihr wieder neues Leben eingehaucht. Er bereicherte die Uhr um ein kopernikanisches Planetarium und die liturgische Kalenderrechnung. Da die Uhr um eine halbe Stunde nachgeht, ertönt der Mittagsschlag täglich um 12.30 Uhr: Dann ziehen die Apostel in einer Nische – unter dem Flügelschlagen und Krähen eines großen Hahns – an einem segnenden Jesus vorbei. Außerdem erklingen jede Viertelstunde zwei Glockentöne. Die volle Stunde verkündet der Tod. Die sieben Wochentage werden von Wagen dargestellt, die die Gottheiten lenken: Diana (für Montag), dann Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn und Apollo.
Tradioneller Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz
Draußen auf dem Münsterplatz empfangen einen nicht nur die vielen anderen Touristen, sondern auch der traditionelle Weihnachtsmarkt. Am Fuße des prächtigen Münsters und auf den schönsten Plätzen der Stadt stehen etwa 300 Holzhütten, die zu einem märchenhaften Spaziergang entlang der zig Kilometer langen Lichterketten einladen. Doch bevor man sich zu dem nostalgischen Bummel aufmacht, sollte man unbedingt noch einen Blick auf das Maison Kammerzell – am nördlichen Ende des Münsterplatzes gelegen – werfen. Es ist einfach ein Hingucker: Auf einem steinernen Untergeschoss aus dem Jahr 1467 wurden 1589 mehrere Renaissance-Fachwerkgeschosse errichtet. Geradezu überbordend wirkt der Schnitzschmuck an der Fassade. Ein weitere Höhepunkt bei einer Visite Straßburgs ist auch ein Bummel durch „La Petite France“ – „Klein-Frankreich“: Im ehemaligen Viertel der Fischer, Gerber und Müller, das von Kanälen durchzogen ist, mit Brücken und Schleusen bespickt ist, drängen sich dicht an dicht die Fachwerkhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Originell ist beispielsweise die „Fasanebrueckel“ (Pont du Faisan), eine Kurbelbrücke am Beginn der Rue des Moulins, die der Brückenmeister heutzutage nicht mehr von Hand bedient, sondern mit Hilfe einer Automatik: Kommt ein Ausflugsboot durch die nah gelegene Schleuse, scheucht er die Passanten von der Holzbrücke, versperrt den Durchgang und betätigt den Mechanismus, damit die Brücke zur Seite schwenkt und den Weg für das Boot frei macht. Am Ende der Straße an der Kreuzung zur Rue du Bain aux Plantes befindet sich auch ein traditionsreiches Straßburger Restaurant, die gemütliche Winstub Lohkäs mit ihrem beeindruckenden Kachelofen und typischen regionalen Gerichten wie Choucroute mit Würstchen, Baeckeoffe oder Coq au Riesling.
Die elsässischen Weihnachtsmärkte verzaubern seit 500 Jahren. Sie sind ebenso märchenhaft wie authentisch. Man sucht dort seinen Weihnachtsbaum aus, geht mit der Familie spazieren oder kommt einfach nur, um die ersten Düfte des Fests einzuatmen. Von den größten Städten bis in die kleinsten Dörfer wirft sich jede Gemeinde in Schale, um ihren Weihnachtsmarkt in Szene zu setzen. Insgesamt sind es fast 150 Märkte, die über die ganze Region verstreut kleine und große Besucher anlocken. Während der Weihnachtszeit unterteilt sich die Region in die sieben elsässischen Weihnachtsländer. „Das Land der Aromen“ befindet sich in Straßburg und Umgebung. Zum 443. Mal findet in diesem Jahr der Weihnachtsmarkt von Straßburg statt. Er gilt als der älteste Weihnachtsmarkt in ganz Frankreich und zählt zu den ältesten Europas. Vom traditionellen Christkindelmärik aus dem Jahr 1570 bis hin zu den zwölf thematischen Märkten, die über die ganze Stadt verstreut sind, hat es die europäische Hauptstadt Jahr für Jahr verstanden, Authentizität und Seele ihrer Weihnachtsmärkte zu bewahren.
Die übrigen Weihnachtsländer sind „Das Land der Legenden“ (L’Outre-Forêt, Wissembourg – Weißenburg-, Haguenau, Niederbronn-les-Bains, la Vallée de la Sauer), „Das Land der Lichter“ (Saverne, Wangenbourg, Alsace Bossue -Krummes Elsass-, La Petite Pierre, Wasselone, Ingwiller, Bouxwiller) und „Das Land des Weihnachtsbaums“ (Sélestat, Obernai, Rosheim, Vallée de la Bruche, Barr, Molsheim, Ried). Immerhin gilt das Elsass als die Wiege des Weihnachtsbaums. Und das zu Recht! In der Humanistischen Bibliothek von Sélestat kann man unter den alten Büchern und Schriftstücken die erste schriftliche Erwähnung des Verkaufs von Tannenbäumen aus dem Jahr 1521 bewundern. Es folgen „Das Land der Weihnachtsabende“ im Ecomusée d’Alsace in Ungersheim, „Das Land der Weihnachtslieder und -stoffe“ (Mulhouse, Altkirch, Vallée de Thann, Sundgau, Ballon des Vosges, Guebwiller) und schließlich noch „Das Land der Sterne“ (Colmar, Kaysersberg, Münstertal, Riquewihr, Ribeauvillé, Neuf-Brisach, Eguisheim).
Colmar ist die Hauptstadt des elsässischen Weins
Die Elsässer Weinstraße führt mitten durch das Land der Sterne. Hier liegen die sogenannten Perlen des Weinbergs, befestigte mittelalterliche Dörfer. Es ist auch das Land von Neuf-Brisach, das von Ludwig XIV. einst als „einer der schönsten Diamanten der französischen Krone“ beschrieben wurde. Unterhalb der verschneiten Berge liegt schließlich das Münstertal mit seinem berühmten Käse. Colmar, dessen Name auf das lateinische Wort Columbarium – Taubenschlag – zurückgeht – ist die Hauptstadt des elsässischen Weins. Das malerische historische Stadtzentrum ist gut zu Fuß zu erkunden. Berühmt ist Colmar für sein Unterlinden-Museum, wo der dort ausgestellte Isenheimer Altar von Matthias Grünewald (16. Jahrhundert) ausgestellt ist und in diesem Jahr seinen 500. Geburtstag feiern konnte. Die Reize Colmars erschließen sich zudem bei einer Fahrt mit einer Barke durch die Kanäle von „Petite Venise“ (Klein-Venedig).
Nicht weit von Colmar entfernt gibt es eine Vielzahl pittoresker Weinorte zu entdecken. Wie beispielsweise Kaysersberg, dessen berühmtester Sohn Albert Schweitzer ist, oder Riquewihr, das alte Reichenweiher, ein Fachwerk-Freilichtmuseum, das zu den meistbesuchten historischen Orten Frankreichs gehört. Hier befinden sich nicht nur gut erhaltene Häuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert, sondern auch die Wiege des elsässischen Crémants. Als der „Erfinder des Crémant d’Alsace“ gilt das Weingut „Dopff au moulin“. Im 17. Jahrhundert ließ sich Jean-Daniel Dopff, Sohn eines Pastors, in Riquewihr als Bäckermeister und Wirt der Herberge „Zum Hirschen“ nieder. Sein Sohn Balthasar-Georges, 1667 in Riquewihr geboren, wurde Küfermeister und somit der erste Dopff, dessen Name sich mit einem Beruf der Weinbranche verbinden sollte. Mehr als 200 Jahr später besuchte sein Nachkomme Julien Dopff auf der Suche nach neuen Inspirationen mit seinem Vater die Weltausstellung von Paris in 1900, und nahm dort an einer praktischen Demonstration der „Méthode champenoise“ teil. Er davon so angetan, dass er mit Elsässer Weinen eine zweite Flaschengärung versuchen wollte. Nach einem zweijährigen Praktikum in der Champagner-Hauptstadt Epernay übertrug Julien Dopff diese Methode auf die elsässischen Weine. Die Voraussetzungen waren vorhanden: günstiges Klima, geeignete Böden und das natürliche Prickeln des Pinot blanc. Sein Versuch wurde mit Erfolg gekrönt – bis heute überzeugen die prickelnden Schaumwein-Getränke, die der Kunde in der Vinothek des Weinguts in Riquewihr verkosten kann.
Sonja Thelen
Titelfoto / Ausblick über die Straßburger Altstadt vom Münster. / Foto: Sonja Thelen
Tipps für den kurzen Elsass-Trip:
Hotel in Straßburg:
Best Western Hotel Monopole Metropole Straßburg – ein charmantes Drei-Sterne-Haus, mit einer wunderschön historisch eingerichteten Bar und Frühstücksraum, zentral gelegen. Die Straßburger Altstadt ist fußläufig schnell erreichbar, ebenso der Hauptbahnhof. Die Zimmer sind modern oder im typisch elsässischen Stil eingerichtet und geräumig. Gegen Aufpreis kann man sein Auto in einer benachbarten Tiefgarage parken. Das Hotel ist Träger des EU-Umweltzeichens.
16 Rue Kuhn, 67000 Strasbourg, Telefon: +33 3 88143914, www.bestwestern.com
Weingut:
Dopff au Moulin, Vins et Crémants d’Alsace, 2 av Jacques Preiss, 68340 Riquewihr
Weinprobe & Verkauf : Geöffnet: 8 bis 12 Uhr / 14 bis 18 Uhr, Wochenende: 9 bis 12Uhr / 14 bis 18 Uhr, Tel. : +33 3 89 49 09 51
Bücher:
Susanne Tschirner, „Elsass” in der Reihe Dumont-Direkt, 2011, 120 Seiten, 9,99 Euro
Michelin – Reiseführer „Elsass – Lothringen“, 480 Seiten, 2010, 22,50 Euro
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