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Auswandern: Auf und davon nach Irland

Tanja Wittke schildert in einer sehr persönlichen Sicht, wie es ihr und ihrem Sohn in der neuen Heimat geht.

Galway – Als ich meinen Freunden und meiner Familie vor knapp zwei Jahren offenbarte, dass ich mit meinem Kind im Juli nach Irland gehen werde, wurde ich von einer Welle unterschiedlichster Reaktionen überrollt. Einige waren quasi geschockt, wie könne ich denn in ein Land ziehen, welches von hoher Arbeitslosigkeit, ner Menge Regen und Whisky saufenden Trunkenbolden geplagt wird??? Von anderen erfuhr ich positiven Zuspruch und Schwärmereien über die umwerfende Natur Irlands und die Warmherzigkeit der Iren.

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Joshua und Tanja – beide finden Irland toll. Foto: Tanja Wittke

Bevor ich mit meinem damals 4-jährigen Sohn Joshua die Sachen packte, war ich nur einmal für zwei Tage in Irland, und zwar sechs Wochen bevor es losging. Ich arbeitete über acht Jahre in verschiedenen Irish Pubs in Berlin und dachte, ich sei schon etwas mit der Irischen Kultur bekannt gemacht worden, doch das war weit gefehlt. Ich wurde positiv überrascht.

Durch meine Freunde aus den Irish Pubs, war mir ein guter Bekannter eine große Hilfe und besorgte mir einen Kontakt in Galway. Ich hatte mich auf mehrere Stellen in ganz Irland beworben. Nur eins war von Anfang an klar: ich will nicht nach Dublin! Ich wollte das Landleben erfahren, durch die Land-und Seeluft müde werden und deshalb in eine kleinere Stadt. Mein Traum war es immer ein Haus mit Garten zu haben. Am besten mit Hund und Katze. Und ratet mal was: Genau das hab ich jetzt alles.

Aus dem Job bei einem weltbekannten Discounter wurde anfangs nichts. Da Irland das Mekka der Callcenter ist, dachte ich mir: ach…versuchen wir es doch einfach mal bei einem großen Software-Unternehmen und bei einem Online-Großhändler, der gerade dabei war, den deutschen und englischen Markt zu erobern. Ich sah den Job als Chance, einen Fuß in die irische Arbeitswelt zu setzen und war der Meinung, einen weiteren Callcenter Job für ein paar Monate machen zu können, bis wir uns richtig eingelebt haben und ich mich nach einem besseren Job für eine Fremdsprachenkorrespondentin um zuschauen. Tja…daraus ist nicht wirklich was geworden. Ich sitze immer noch in diesem Laden fest und habe mich vom normalen, zweisprachigen Callcenter-Agenten zum Order Processing Specialist hochgearbeitet.

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Blumenmeer vor dem Meer. Foto: Tanja Wittke

Zunächst in einer WG untergekommen

In Telefoninterviews vergnügte ich mich also mit fremden, englischsprachigen Menschen, die ich nicht sehen konnte und durfte. Nach zwei Wochen Bewerbungen schreiben und den schrecklichen Interviews konnte ich endlich unsere One-Way Flugtickets buchen! Ich konnte es nicht glauben! Ich widersetzte mich tatsächlich allen negativen Gegensprüchen, ich ging den “Wahnsinn” ein, mein “sicheres” Nest zu verlassen und meine Freunde und Familie hinter uns zu lassen. Außerdem riss ich Joshua aus seinem gewohnten Alltag und aus seinem kleinen Freundeskreis und nahm ihn mit in ein Land, dessen Sprache er nicht sprach. Ich böses, eigenwilliges Menschenkind. Ach ja! Noch dazu habe ich uns in eine WG aus wildfremden Franzosen, Polen und Amerikanern gebucht, die mir vorher als amerikanischen Pärchen, ein Franzose und einer Polin verkauft wurden. Letztendlich war es ein französischen Paar, ein Pole und eine Amerikanerin, die furchtbar nett waren und uns mit offenen Armen begrüßt haben.

Es klingt wahrscheinlich schleimig und total typisch, aber als ich meinen Fuß zum ersten Mal auf irischen Boden setzte, wusste ich sofort: Hier gehörst du hin! Ich nahm die 3-stündige Busfahrt von Dublin nach Galway auf mich und hab mich in dieses kleine Städtchen sofort verliebt! Mein Kontakt Brian ist ein typischer Ire, mit Bart und roten Haaren, relativ starkem Dialekt und ner Menge Durst nach Guinness. Typischerweise machte er mich auch gleich mit seinem besten Freund bekannt, bekochte mich in seiner Wohnung in der Stadt und führte mich dann in verschiedene Pubs. Ich bemerkte schnell, dass das Guinness in Irland vieeeeeeeeel besser schmeckte, als das in Deutschland und war nach zwei Pints furchtbar begeistert von allem. Nachdem ich dann Galway bei Nacht das erste Mal gesehen hatte, versprach mir Brian am nächsten Morgen eine ausgiebige Tour durch Galway. Außerdem wollte ich mich auch nach den Schulen erkundigen und mir Häuser anschauen, die ich mir vorher im Internet auf irischen Immobilienseiten angesehen hatte. Schließlich wollte ich dies alles geklärt haben, bevor ich mit meinem Knirps hierher ziehe.

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Schmeckt nur in Irland richtig, sagt Tanja. Foto: Tanja Wittke.

Schulplatz für Joshua war kein Problem

Brian erzählte mir dann von einer guten Schule im Stadtzentrum, auf die seine Mutter wohl schon gegangen sei. Mir kamen sofort die Nonnen und Pastoren in den Sinn und ich dachte mir nur: Oh Schreck! Bitte mach, dass dies keine Jungenschule ist, die extremst katholische Unterrichtsformen befolgt und mir als Atheist sonst welchen Schrecken einjagen wird. Nein, es war eine sehr moderne Schule mit schönen, modernen Fensterbildern, ich sah keine Päpste von den Wänden schauen und auch sonst keine Gottesanbetenden Gebilde oder gar Kreuze. Die Schulleiterin war dann auch sofort bereit mich zu sehen und hat mir sogar gleich unterschrieben, dass Joshua definitiv einen Schulplatz für September hatte. Ich war platt! Das lief ja wie am Schnürchen! Ich hatte mich natürlich vorher schlau gemacht, wie das mit den Einschreibungen an irischen Schulen funktioniert und mir wurde schnell klar gemacht, dass es an den meisten Schulen in Irland laaaaaaange Wartelisten gäbe und einige Eltern ihre Kinder schon vor der Geburt dort eintragen lassen. Dies gilt allerdings nur für private Schulen…

Als ich nun diesen Platz sicher hatte, gingen wir freudestrahlend weiter durch die kleine Stadt und kamen irgendwann am Meer an. WOW! Ich wusste natürlich das Galway am Meer liegt, aber dann doch so nah! Ein Traum! Der Strand von Salthill ist megalang und sauber! Man kann die Aran Islands sehen, die Berge in Clare und wenn in Salthill die Sonne scheint, weiß man, dass es in Kilometern Entfernung regnet und sich dieser Regen auf dem besten Weg zu uns macht. Also ab in den nächsten Pub, damit wir uns vorm Regen schützen konnten!

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Foto: Tanja Wittke

Dann ging es darum, ein geeignetes Haus zu finden. Wir hatten uns mit einem örtlichen Immobilienmakler kurzgeschlossen, der sich innerhalb von einer halben Stunde mit uns zur Hausbesichtigung traf, da all die Häuser, die ich mir vorher im Netz angeschaut hatte in den umliegenden Dörfern verteilt waren und einfach zu weit weg gewesen wären. Also schaute ich mir dieses zuckersüße, gemütliche Stadthäuschen mit Garten an. Etwa 25 Minuten von der Stadt entfernt. Für drei Schlafzimmer wollte der Vermieter 750 Euro haben. Ein guter und relativ verbreiteter Preis für ein Haus in Galway. Da ich mir aber nicht sicher war, wie viel ich verdienen würde, wie hoch die Lebenshaltungskosten sein werden und was der Hort für Joshua kosten würde, nahm ich zuerst Abstand vom eigenen Haustraum und suchte mir dann erst einmal eine WG.

Schwerer Abschied aus Berlin

Am gleichen Abend ging es für mich schon zurück nach Dublin, wo meine liebe Freundin Jenny aus Berlin bereits seit einem Jahr wohnte. An Ihrer Türschwelle angekommen, brach ich erst einmal in Tränen aus. Mir wurde bewusst, dass ich definitiv meine Heimatstadt und alles darin verlassen werde, um in Irland zu leben. Wäre Joshua mit mir dort gewesen, wäre ich wahrscheinlich gleich dort geblieben.

Zurück in Berlin, ging es also an die Planung. Meine Wohnung wurde kurzerhand aufgelöst, was sich als nicht ganz so einfach herausstellte, wie vorher gedacht hatte. Mein Hund Gizmo wurde in liebevolle Hände gegeben, mit der Aussicht auf eine Übersiedlung. Sämtliche Konten, Versicherungen usw. kündigte ich. Meine Freunde und Familie waren baff. Sie macht es tatsächlich!! Von vielen durfte ich mir noch anhören, dass ich ja nach ein paar Wochen bestimmt ganz dolles Heimweh bekomme und wieder zurück käme, oder es wird mit dem Job nicht klappen oder Joshua wird krank vor Heimweh. Diese Leute sollten eines Besseren belehrt werden. Denn ich bin immer noch hier und mir geht es sau gut!

Natürlich war der Abschied schwer! Meine allerliebsten waren bei mir und das war das Wichtigste! Auch beim Abschied am Flughafen waren meine Liebsten da und es war tränenreich! Noch im Flugzeug hab ich geheult, aber Joshua und ich hatten ein neues Leben vor uns und diese Freude hat die Tränen verdrängt.

Angekommen in Galway trafen wir uns erst einmal mit unserem neuen Vermieter, der uns den Schlüssel und Wegbeschreibungen mit auf den Weg gab. Mietverträge sind bei WGs eher selten. Ein Taxi brachte und zu unserem neuen, vorübergehenden Heim. Ich hatte ihm zuvor einen kleinen Teil der Kaution überwiesen und sollte ihm die erste Miete am nächsten Tag geben. Natürlich hatte ich Bedenken, jemand Wildfremdes mal eben 200 Euro zu überweisen. Aber ich hab den Herrn natürlich vorher im Internet ausfindig gemacht und stellte fest, dass er tatsächlich ein bekannter Makler mit Büro und allem ist.

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Foto: Tanja Wittke

Die Preise waren zunächst ein Schock

Da standen wir also vor unserem neuen Heim. Ein kleines, schnuckeliges, weißes Haus mit vier Schlafzimmern. Niemand zu Haus. Wie bereits erwähnt: viel wusste ich nicht, von unseren neuen Mitbewohnern. Also legte ich unsere Koffer und Taschen in unserem kleinen Doppelbettzimmer ab, inspizierte die Küche und die Bäder und ging mit Joshi zu allererst auf Entdeckungstour. Joshua war natürlich hundemüde von der langen Reise, aber er war genauso aufgeregt wie ich. Wir gingen in einen kleinen Laden um die Ecke, in dem ich erst einmal das nötigste einkaufte und erschrak mich dann das erste Mal über die Wahnsinnspreise! Ich hatte soeben für Milch, Müsli, Kaffee, Zigaretten und Wein knapp 40 Euro hinblättern müssen! Nach dem ersten Schock gingen wir wieder zurück, wo wir dann von unserer amerikanischen Mitbewohnerin Amy begrüßt wurden. Amy studierte bereits ein halbes Jahr in Galway und ist heißblütige Irlandliebhaberin! Perfekt! Außerdem liebt sie Kinder! Bald darauf trafen dann auch die anderen Mitbewohner ein. Allesamt sofort sympathisch. Anais und Marc, ein befreundetes Pärchen aus der Bretagne und Marcin, ebenfalls Erasmus-Student aus Polen.

Entgegen allen Erwartungen fanden nicht jeden Abend wilde Partys statt! Diese Menschen waren sehr ernste Studenten und verschlossen sich manchmal tagelang auf ihren Zimmern um zu pauken.

Die ersten paar Tage verbrachten Joshua und ich damit, Galway zu erkundigen und ihm einen Hort zu suchen. Die Schule fing erst im September an und somit musste ich ihm einen Kindergarten, hier Creche genannt, finden, in dem er behütet wurde, während ich arbeiten ging.

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Foto: Tanja Wittke

Auch diese Aufgabe war relativ schnell bewältigt. Nicht weit von unserem neuen Heim, ist eine kleine Creche, die mir auch sofort zusagte. Die Erzieherinnen hatten überhaupt kein Problem damit, dass er kein Wort englisch sprach und meinten nur, dass käme irgendwann automatisch. Natürlich machte ich mir Sorgen darum, was passiert, wenn er Schmerzen hat, wenn er etwas nicht essen möchte oder wenn er sich ausgeschlossen fühlt, weil die anderen Kinder ihn nicht verstehen? Aber mit vollem Mutterstolz kann ich sagen, dass sich mein kleiner Sohnemann ohne Probleme dort eingelebt hat und jeden Nachmittag begeistert erzählt hat, was sie alles tolles gemacht haben.

Sofort einen Job

Ich hatte bereits fünf Tage nach unserer Ankunft mein persönliches Vorstellungsgespräch in dem besagten Callcenter. Somit war ich doppelt aufgeregt, weil Joshua seinen zweiten Tag in der Creche verbrachte und ich nun endlich die beiden Damen zu Gesicht bekommen werde, die mir vorher nur vom Telefon bekannt waren. Die Playschools und Creches kosten in Galway mal eben zwischen 70 und 180 Euro die Woche. Je nachdem wie lange das Kind dort bleibt, erhöht sich der Preis natürlich. Manche Kindertagesstätten bieten Essen und School Pick Ups an. Für Eltern, die Vollzeit arbeiten, ist das wahnsinnig praktisch.

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Foto: Tanja Wittke

Das Bürogebäude befindet sich in einem großen Industriepark. Ich war ein bisschen irritiert. Ich dachte, ich Irland ist alles grün? Naja…wenigsten gab es auch in diesem Bürokomplex ein paar Grünflächen. Mein Taxifahrer verfuhr sich in dem von Einbahnstraßen geprägten Labyrinth ein paar Mal, berechnete mir netterweise aber nicht mehr. Mir öffnete ein strahlendes Gesicht die Tür und bot mir etwas zu trinken an. Ich merkte an ihrem Dialekt, dass sie keine Irin war und war gleich nicht mehr so aufgeregt, schließlich war ich nicht mehr allein unter den Iren. Als ich dann von einer irischen Dame mit deutschem Namen zum Interview abgeholt wurde, traf ich gleich noch auf eine weitere deutsche Person, die mir als Assistant Manager vorgestellt wurde. Meine Güte! Hier wimmelt es ja von Deutschen!! Nachdem ich das Interview und einen Übersetzungstest hinter mich gebracht hatte und meinen Sohnemann wieder abgeholt hab, erhielt ich etwa vier Stunden später einen Anruf von der Managerin und die frohe Nachricht, dass ich gleich am nächsten Montag anfangen durfte zu arbeiten! Jucheeeh! Ich konnte es nicht glauben! Innerhalb von ein paar Tagen haben sich all meine Träume und Pläne so schnell verwirklicht! Ich war einfach nur sprachlos! Unser Leben in Irland konnte nun richtig losgehen!

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Foto: Tanja Wittke

Ich wurde von der Arbeit für einen Vormittag freigestellt, um meine PPS-Nummer zu beantragen. Diese benötigt man hier, um arbeiten zu dürfen. Das ist gleichgestellt mit der deutschen Sozialversicherungsnummer. Diese Nummer braucht man ebenfalls, um sich bei der Krankenkasse zu melden, das Finanzamt speichert sie, selbst für Mietverträge muss man diese Nummer vorweisen. Nach einer halben Stunde Wartezeit beim irischen Arbeitsamt, hatte ich den Antrag dann abgegeben und nur drei Tage später meine persönliche PPS-Nummer. Man was war ich stolz! Ich musste auch für Joshua eine beantragen, denn die Schule benötigt diese ebenfalls. Ich fühlte mich gleich ein bisschen irischer 🙂 Um natürlich auch mein Gehalt zu erhalten, benötigte ich ein irisches Konto. Auch dieses war relativ schnell eröffnet und ich hatte ein weiteres Beweismittel, dass ich nun tatsächlich in Irland lebe und hier auch bleibe.

Tanja Wittke aus Galway


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1 Kommentar zu „Auswandern: Auf und davon nach Irland“

  1. Hallo Tanja,

    Dein Artikel ist toll. Du hast mir so viel Mut gemacht meine Angst mit meinem Kind in ein anderes Land zu gehen, zu überwinden. Ich bewundere deinen Mut und deine Stärke, dass du dich trotz allem was deine Freunde und Familie gesagt haben durchgesetzt hast. Einfach inspirierend.

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