Dublin – “There is a good time coming. Be it ever so far away”. So kündet eine Wandplakette am “Doyles” Pub in der Dubliner Fleet Street. Und schöner kann kein Dichter noch Politiker es sagen.
Irland, grüne Insel. – Grün, Farbe der Hoffnung. – Irland in der Rezession. – Spürt man das? Ich finde ja. Aber das boomende Irland, als der keltische Tiger zum Sprung angesetzt hatte und immer höher und weiter zu fliegen versprach – dieses Irland fand ich verstörender.
Wenn man eine Stadt seit über zwanzig Jahren regelmäßig aufsucht, kommt es nicht mehr so aufs Neuentdecken an, sondern der Abgleich tritt in den Vordergrund – was ist geblieben, was hat sich verändert. Und es bilden sich Rituale heraus. Zu meinen gehört die Mahlzeit mit Fish und Chips. Seit vor Jahren die Meldungen vom Fangverbot für Kabeljau aufkamen – und bei mir soll es am liebsten Smoked Cod sein – fotografiere ich den Teller vorsichtshalber, bevor ich das Arrangement zerlege. Vielleicht muss ich mich bei den jungen Französinnen entschuldigen, die mich diesmal beim Schnappschuss beobachteten, denn die fielen vor Lachen fast vom Stuhl.
Es gibt Orte, die man irgendwann nicht mehr aufsucht, weil sie an Charme verloren haben, das authentische Landestypische dem Ringen nach Internationalität gewichen ist. Über Bewahrtes freut man sich umso mehr und denkt, man kann es erhalten helfen durch bloßes Erscheinen, ein Schwätzchen oder indem man etwas erwirbt.
Meine Neuentdeckung 2012 ist “Sweny” (https://www.sweny.ie/) am Lincoln Place nahe Trinity College, das aus der Zeit gefallen scheint. Sweny wird mehrfach in James Joyce’s Ulysses erwähnt, denn Leopold Bloom kaufte hier ein Stück Lemon Seife für Molly und trug es den ganzen Tag in der Jackentasche, von Zeit zu Zeit danach tastend. Die kleine Apotheke existiert seit 1853 und wurde zuletzt von zwei alten Damen betrieben. Eines Tages schlossen sie das Etablissement ab, um nicht mehr zurückzukehren, sie waren in Pension gegangen. Jetzt ist der Laden in alter Ausstattung mit Büchern befüllt und es gibt täglich Lesungen aus Joyce’s Werken. Auch die Lemon Seife kann man kaufen.
Die Edel-Shoppingmeile Grafton Street wirkt seltsam verwaist. Mitte der Neunziger konnte man da kaum schlendern, so drückten und schoben die mit großen Einkaufstüten bewehrten Konsumfreunde. Nördlich, am Tor zum jugendlichen Partybezirk Temple Bar, hält sich tapfer das Camp der Occupy-Bewegung vor der Central Bank of Ireland. Einer der Köpfe dieser Bewegung in Dublin ist Sohn der früheren Präsidentin Mary Robinson.
Krisengebeutelt wenden sich viele Iren verstärkt den kulturellen Wurzeln zu, der Literatur, dem Liedgut. Im letzten Jahr fiel die Wahl zum neuen Präsidenten auf einen Dichter. Mr. Michael D. Higgins ist ein sympathischer kleiner Mann. Es gab schon einmal einen eher kleinwüchsigen Präsidenten in Irland. Als der eine Antrittsrede hielt in einem Stadion rief ein Ire: Kann mal jemand den Rasen mähen, ich will den Präsidenten sehen. Diese Anekdote kam in Erinnerung, da man das Gras jetzt noch kürzer schneiden müsste.
Bei meinem Spaziergang über den Merrion Square mit Skulpturen zum Gedenken an Oscar Wilde oder den beliebten Komiker und Schauspieler Dermot Morgan (1952-98) alias Father Ted beobachte ich zwei ältere Männer. Die sitzen auf einer Parkbank und werfen Münzen gegen den Rasenrand, so wie wir es als Kinder.am Bordstein gespielt haben. Nun ja, zu etwas ist der Euro immer nütze.
Beate Lemcke
Beate ist freie Journalistin und Inhaberin von Irish Berlin
Titelfoto / Sweny, fast wie zu Joyce’s Zeiten. / Foto: Beate Lemcke
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