Am 15. Mai findet der „Corsa dei Ceri“ (Kerzenlauf) in Gubbio statt – eine der ältesten und gleichzeitig verrücktesten Traditionen Italiens. Anlässlich des Todestages ihres Stadtheiligen San Ubaldo, des Heiligen Ubald, strömen die Einwohner von Gubbio bunt gekleidet auf die Straßen, um an einer Prozession der etwas anderen Art teilzunehmen, die inzwischen den Beinamen „Lauf der Verrückten“ hat. Es handelt sich um einen jahrhundertealten Brauch, bei dem drei riesige Holzkonstruktionen – die Ceri – in einem Wettlauf auf den Monte Ingino getragen werden.
Die 300 Kilo schweren Artefakte stehen für drei Heilige

Früher veranstalteten die Bürger eine gewöhnliche Lichterprozession am Todestag des Heiligen Ubald, um den Schutzpatron und Stadtheiligen zu ehren. Inzwischen läuft der 15. Mai in Gubbio anders ab: Gruppen zu je einem Dutzend Männer wuchten drei hölzerne „Ceri“ (Kerzen) durch die engen Gassen der Stadt. Jene vier Meter hohen und knapp 300 Kilo schweren Artefakte stehen für drei Heilige, die Gubbio im Krieg gegen andere Städte unterstützten: Ubaldo (Ubald), Giorgio (Georg) und Antonio (Antonius). Vier Kilometer legen die Läufer zurück, die meiste Zeit geht es bergauf. Das Ziel des „Corsa dei Ceri“ ist die Basilika des Heiligen Ubald auf dem Monte Ingino. Die Träger werden während des Laufes regelmäßig ausgewechselt.
Der Heilige Ubald gewinnt immer
Entlang der Strecke feuern Schaulustige aus Gubbio und aus aller Welt die Kerzen-Träger an. Traditionell sind die Gubbier in gelb, blau und schwarz gekleidet, tragen dazu weiße Hosen sowie rote Gürtel und Halstücher. Als wäre das kunterbunte Spektakel in Umbrien nicht schon verrückt genug, ist das Ende erst Recht skurril: Der Gewinner des Kerzenlaufs steht schon fest. Egal, wer als erster den Kirchenhof erreicht, Vortritt an der Pforte hat jedes Jahr aufs Neue der Heilige Ubald. Die Gubbier verehren ihn bis heute heiß und innig.

Historische Ursprünge
Die Festa dei Ceri wird in Gubbio seit fast einem Jahrtausend gefeiert. Erstmals schriftlich erwähnt wurde sie im Jahr 1160, dem Todesjahr von Sant’Ubaldo, dem Schutzheiligen der Stadt. Manche Theorien vermuten sogar noch ältere, vorchristliche Wurzeln: So könnte der Brauch auf heidnische Frühlingsriten oder den Kult der römischen Göttin Ceres zurückgehen.
Unbestritten ist jedoch, dass der Kerzenlauf zu den ältesten kontinuierlich gepflegten Festen Italiens gehört. Nur während der Corona-Zeit wurde der „Corsa dei Ceri“ abgesagt, während der Weltkriege absolvierten die Frauen anstelle der Männer den verrückten Lauf. Früher wie heute wird nach dem Lauf das große Kerzenfest „Festa dei Ceri“ begangen. Obwohl der Kerzen-Lauf am 15. Mai skurril anmutet, ist er die wichtigste und älteste Tradition Umbriens: Die drei „Ceri“ bilden sogar das Wappen der Region.
So läuft die traditionelle Veranstaltung ab

Morgens und Mittags:
Der Festtag beginnt schon in aller Frühe. Gegen 4:30 Uhr wecken Trommler und Trompetenstößer die Stadt mit der “Marcia dei Ceri”. In der Frühe finden Messen und Prozessionen statt, bei denen die kleinen Statuen der drei Heiligen durch Gubbio getragen werden.
Gegen 12 Uhr versammelt sich eine dichte Menschenmenge auf der Piazza Grande vor dem mittelalterlichen Palazzo dei Consoli. In diesem zentralen Moment, der “Alzata”, werden die drei schweren Holzkonstruktionen feierlich senkrecht aufgerichtet.
Unter dem Jubel der Zuschauer drehen die Trägerteams mit den aufgerichteten Ceri dreimal im Laufschritt um die Piazza. Dieser mitreißende Auftakt gibt einen Vorgeschmack auf die nachfolgende Hauptrennen am Abend.
Zur Alzata sollte man möglichst frühzeitig einen Platz suchen, da die Piazza bereits am Vormittag überfüllt ist.

Nachmittag und Abend:
Am späten Nachmittag bereitet sich die Stadt auf das Hauptereignis vor. Gegen 17 Uhr findet eine feierliche Prozession statt, in der die Statue des Sant’Ubaldo vom Dom hinab zur Piazza Grande geleitet wird. Um 18 Uhr fällt dann der Startschuss für die eigentliche Corsa dei Ceri. Nach dem Segen des Bischofs rennen die drei Mannschaften mit den auf den Schultern balancierten Ceri los.
Angeführt wird das Rennen immer von Sant’Ubaldo (gelbe Farben), gefolgt von San Giorgio (blaue Farben) und Sant’Antonio (schwarze Farben). Ein Überholen ist weder erlaubt noch praktisch möglich in den engen Gassen der Altstadt. Das „Ziel“ ist die Basilika von Sant’Ubaldo auf dem Gipfel des Monte Ingino, oberhalb der Stadt. Die Laufstrecke (rund vier Kilometer) führt zunächst im Zickzack durch die steilen mittelalterlichen Straßen von Gubbio und dann, ab dem Stadttor Porta dell’Angelo, steil bergauf über Waldwege mit mehreren Kehren bis zur Basilika.
Wichtig ist weniger die Zeit, sondern dass der Lauf „sauber“ absolviert wird, d.h. ohne Sturz und mit möglichst senkrecht gehaltenem Cero. Sollte ein Cero doch einmal zu Fall kommen oder anstoßen, schreitet der “capocetta” (ein Begleiter der Truppe) sofort ein, um den Holzaufbau zu reparieren. So kann das Rennen fortgesetzt werden.

Oben an der Basilika hat traditionell Sant’Ubaldo „gewonnen“ – seine Träger versuchen sogar scherzhaft, die Kirchentür hinter sich zu schließen, bevor die anderen ankommen. Nach dem Zieleinlauf werden die Konstruktionen zur Bergkirche gebracht, während die Heiligenstatuen wieder hinunter in die Stadt geleitet werden. Dort werden sie in der Kirche San Francesco della Pace (auch „Chiesa dei Muratori“ genannt) bis zum nächsten Jahr aufbewahrt.
Die Feierlichkeiten sind dann aber noch nicht zu Ende. Ganz Gubbio feiert weiter in den Gassen. Traditionell gibt es das Gericht “Baccalà alla Ceraiola” (eingelegter Kabeljau nach Träger-Art) für alle, das bereits am Vorabend unter den Bögen des Palazzo dei Consoli vorbereitet wurde.
In den Tagen nach dem 15. Mai finden zwei weitere, kleinere Kerzenläufe statt. Am 17. Mai rennen die Jugendlichen mit den Ceri Mezzani (mittlere Kerzen) und am 2. Juni tragen Kinder die Ceri Piccoli (kleine Kerzen) durch die Stadt. So werden schon die Jüngsten spielerisch an diese großartige Tradition herangeführt.
Wichtige Tipps für Besucher
Nur männliche Einwohner von Gubbio können Kerzenträger sein. Die Ehre, einen Cero zu tragen, ist im Wesentlichen den Einwohnern von Gubbio vorbehalten. Jeder männliche Bürger oder langjährige Bewohner Gubbios kann prinzipiell Ceraiolo (Kerzenträger) werden. Traditionell gehörte man je nach Familientradition und Beruf zu einer der drei Heiligen-Gruppen – diese Zugehörigkeit wird heute oft von Vater zu Sohn weitervererbt.
Frauen sind auf die Rolle der enthusiastischen Unterstützerinnen am Streckenrand reduziert und als nicht als Trägerinnen nicht zugelassen. Touristen können nicht einfach selbst mittragen. Aber wer sportlich ist, kann neben den Ceri mit hinaufzulaufen, um so die Stimmung hautnah zu erleben. Dies sollte man nur tun, wenn man wirklich fit ist, da das Tempo hoch und die Wege steil sind.
Das Volksfest zieht jedes Jahr Zehntausende Besucher an

Schätzungen sprechen von rund 100.000 Menschen, die sich zum Event in der kleinen Stadt drängen. Entsprechend sollte du den Besuch gut vorbereiten.
Da Gubbio während des Festes aus allen Nähten platzt, empfiehlt es sich, Unterkünfte frühzeitig zu buchen – idealerweise einige Monate im Voraus. Viele Hotels im Zentrum sind schnell ausgebucht. Alternativ kann man auf umliegende Orte ausweichen, z.B. Übernachtung im nahe gelegenen Perugia oder in einem Agriturismi in der Umgebung. Doch sollte man für den Festtag selbst möglichst früh nach Gubbio hineinfahren, da viele Straßen gesperrt werden und Parkplätze rar sind.
Für die Alzata um Mittag ist die Piazza Grande der wichtigste Ort, der aber auch entsprechend frequentiert ist. Von Balkonen oder Fenstern der umliegenden Häuser hat man die beste Sicht, falls man einen Zugang organisieren kann. Während des Rennens am Abend verteilt sich die Masse entlang der Route. Ein beliebter Platz ist am Stadttor Porta dell’Angelo, wo die Läufer ins steile Schlussstück einbiegen.
Auch entlang der kurvenreichen Steigung durch den Wald kann man das Geschehen verfolgen; die Atmosphäre dort ist leidenschaftlich, wenn die Teams im Sprint bergauf an den Zuschauern vorbeipreschen. Vorsicht: Die Stimmung ist euphorisch und die Straßen sind voll – halte genügend Abstand und achte auf die Anweisungen der Ordner, um sicher und respektvoll zu feiern.
Familien mit kleinen Kindern sollten besonders aufpassen oder etwas abseits schauen, da die Menschenmenge mitgerissen wird, wenn die Ceri vorbeikommen.
Bequeme Kleidung und festes Schuhwerk sind sehr zu empfehlen. Viele Einheimische tragen Halstücher oder Kleidung in den Farben ihres favorisierten Cero (Gelb, Blau oder Schwarz). Als Besucher kann man sich dem farblich anschließen, um die Zugehörigkeit zu „seinem“ Heiligen zu zeigen.
Am 15. Mai sind Gubbio viele Geschäft und Restaurant geschlossen, weil die Stadt in das Fest aufgeht. Es ist ratsam, Wasser und vielleicht eine Kleinigkeit zu essen dabei zu haben, da man seinen Platz längere Zeit nicht verlassen möchte. Nach der offiziellen Corsa lohnt es sich, noch in der Stadt zu bleiben: Die Feierlichkeiten dauern bis spät in die Nacht, mit Musik, Gesang und allgemeiner Ausgelassenheit – ein echtes Eintauchen in die umbrische Festkultur.
Quellen
Umbria Tourism: Festa dei Ceri 2025
Italia.it: Gubbios Kerzenfest (auch in englischer Sprache)
ItalyGuides.it: Festival of the Ceri (Festa dei Ceri) (auch in englischer Sprache)
MyKindOfItaly.com: Gubbio, Festa dei Ceri
Wikipedia: Saint Ubaldo Day (in englischer Sprache)
Cronaca Eugubina: Festa die Ceri 2024
https://www.festadeiceri.it/ (Seite in italienischer Sprache, vermutlich länger nicht aktualisiert)
Festa die Ceri (offizielle Webseite der Festa die Ceri)
Ville in Italia: Gubbio, unglaublich und verwirrend
Titelfoto / Der „Corsa dei Ceri“ (Kerzenlauf) ist eine der ältesten und gleichzeitig verrücktesten Traditionen Italiens. / Foto: Umbria Tourism
(Der Beitrag wurde erstmals im Mai 2016 veröffentlicht. Wir haben ihn aktualisiert.)
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