Vielen Balearen-Besuchern wird die kleine und vom Tourismus fast unberührte Inselgruppe Cabrera südlich Mallorcas kaum ein Begriff sein. Dabei liegt der Archipel mit 19 felsigen Inseln, von denen die größte Cabrera heißt, nur wenige Kilometer entfernt. Der Name geht auf das spanische Wort für Ziege (cabra) zurück, da Ziegen über Jahrhunderte die Insel bevölkerten. Einst von den Römern ausgesetzt, um bei ihren kurzen Aufenthalten auf dem Archipel keinen Hunger leiden zu müssen, fraßen die Ziegen im Laufe der Jahrhunderte die Insel kahl, was zur heute teilweise verkarsteten Landschaft führte. In den 1950er Jahren wurden die Tiere daher endgültig von Cabrera verbannt.
Cabrera ist anders als ihre große Schwester Mallorca. Es gibt hier keinen Massentourismus, der Zugang zur Inselgruppe wird streng kontrolliert und die Verhaltensregeln sind strikt. Der gesamte Archipel steht seit 1991 unter Naturschutz. Damit gelang es, ein Stückchen Natur – zu Lande und zu Wasser – zu schützen und ein einzigartiges Naturparadies zu erhalten. Die Neptun-Seegraswiesen im Meer um die Inselgruppe gehören heute zu den besterhaltenen im westlichen Mittelmeer.
Wer Cabrera besuchen möchte, nimmt meist eines der Ausflugsboote von Colònia Sant Jordi, dem kleinen Ort am südlichsten Zipfel Mallorcas, um die 13 Kilometer zur Insel überzusetzen. Der Fährverkehr ist auf die Sommermonate (April bis Oktober) beschränkt. Wer mit dem eigenen Boot kommt, kann das ganzjährig machen, muss aber zuvor eine Genehmigung bei der Parkverwaltung beantragen. Die Zahl der Segelboote, die ankern dürfen, ist dabei stark limitiert, Wassersport und Sportfischerei sind verboten.
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Mit nur 17 Quadratkilometern ist Cabrera die kleinste der bewohnten Baleareninseln. Erste Spuren menschlicher Besiedlung reichen bis ins Altertum, es finden sich talayotische Zeugnisse und Hinweise aus der Zeit der Phönizier und Römer. Die Römer nutzten Cabrera als Zwischenstopp auf ihrem Weg zum spanischen Festland. Ende des 14. Jahrhunderts ließ der König von Mallorca zum Schutz vor Piraten-Angriffen eine Festung oberhalb des Hafeneingangs von Cabrera bauen. Näherte sich ein feindliches Schiff, signalisierten die Burgwächter die Gefahr mit Feuersignalen an die südliche Spitze Mallorcas. Die Burg wurde im Verlauf der Jahrhunderte mehrfach zerstört, aber immer wieder aufgebaut. Wer den etwas anstrengenden Weg nach oben nicht scheut, kann sie besichtigen und wird bei klarer Sicht mit einem wunderbaren Blick über den Archipel und bis hinüber nach Mallorca belohnt.
Während des Spanischen Befreiungskriegs gegen Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts war die Insel über Jahre Verbannungsort für französische Soldaten. Von den insgesamt mehr als 9000 Gefangenen, die auf dem Eiland sich völlig selbstüberlassen blieben, überlebten die wenigsten. Ende des 19. Jahrhunderts gab es einen Versuch, mehr Menschen auf Cabrera anzusiedeln. Die Insel gehörte zu jener Zeit einer Familie Feliu, die auf Weinanbau setzte und hoffte, damit mehr Menschen eine Lebensgrundlage auf der Insel zu schaffen. Der Versuch schlug aber fehl, der Boden war zu trocken und es fehlte an Möglichkeiten der Bewässerung. Der damals gebaute Weinkeller Es Celler existiert noch und beherbergt heute das kleine ethnografische Museum der Insel, in dem vor allem Keramik und Alltagsgegenstände des 19. und 20. Jahrhunderts, wie Fischernetze, Körbe und Geräte für die Feldarbeit, ausgestellt sind.
Im 1. Weltkrieg rückte die Insel ins Visier der nationalen Verteidigung Spaniens. Die Familie Feliu wurde 1916 enteignet, die Insel verstaatlicht und zum Militärstützpunkt erklärt. In den folgenden Jahrzehnten lebten nur wenige Familien auf der Insel, kaum mehr als 20 Menschen, die sich von der Landwirtschaft ernährten. Cabrera wurde immer wieder Schauplatz von Kämpfen, auch in den späteren Jahren des Spanischen Bürgerkriegs und des 2. Weltkriegs. Auch nach dem 2. Weltkrieg blieb Cabrera dem Militär unterstellt, ein Umstand, der sicher auch dazu beitrug, die Insel vor den Auswirkungen des touristischen Booms der 1960er und 1970er Jahre zu bewahren. Andererseits riefen die Militärpräsenz und die regelmäßig auf den Inseln durchgeführten Manöver im Laufe der Jahre mehr und mehr die Kritik von Naturschützern auf den Plan. 1988 gab es dann einen ersten Erfolg – das balearische Parlament beschloss, den Archipel in einen Nationalpark umzuwandeln. Allerdings dauerte es bis 1991, bis der Plan umgesetzt werden konnte. Seitdem steht die Inselgruppe Cabrera unter Naturschutz. Die anfängliche Naturparkfläche von 10 000 Hektar wurde 2019 auf 91 000 Hektar erweitert, wovon 80 Prozent Meeresfläche sind.
Cabrera gehört heute zu den am besten erhaltenen Schutzgebieten im Mittelmeerraum. Im sauberen Wasser leben mehr als 500 Arten, darunter Moostiere, Weichtiere, Schwämme und 200 Fischarten. Zackenbarsche, Muränen, Schwertfische und sogar einige Meeresschildkröten bevölkern das Meer. Und wer mit dem Boot zur Insel übersetzt, trifft wieder häufiger auf Delfine, manchmal auch auf Grindwale und gelegentlich Pottwale. Auch die Mittelmeer-Mönchsrobbe hat hier einen ihrer letzten Zufluchtsorte gefunden. Viele Meeresvögel siedeln auf Cabrera, darunter der Fischadler, der Eleonorenfalke, die Mittelmeermöwe und der Balearen-Sturmtaucher. Aber auch Landvögel wie Blaumerle, Grasmücken, Rotkehlchen und Stieglitz können beobachtet werden, zudem sind die Inseln eine wichtige Station für Zugvögel.
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Wer heute auf die Insel kommt, findet eine fast unberührte Natur, Ruhe und Gelassenheit vor. Da nie mehr als 300 Besucher täglich kommen dürfen, hat man die Wege oft für sich allein und kann die mediterrane Vegetation genießen: Rosmarin, Zistrosen, Zwergpalmen, Affodill, strauchartige Wolfsmilch, Lavendel, wilde Olivenbäume, Vielblütige Heide und Phönizischer Wacholder (Sadebaum). Auf Cabrera gibt es allein 30 endemische, also nur hier vorkommende Pflanzen, darunter das Balearen-Johanniskraut. Sehenswert ist auch der kleine botanische Garten, der neben dem Inselmuseum angelegt ist. Vor Jahren wurden viele Aleppo-Kiefern neu gepflanzt, die heute hochgewachsen sind und etwas Schatten spenden. Auf den Wegen wuseln immer wieder die Balearen-Eidechsen (Podarcis lilfordi), auch ein Endemit mit 11 Unterarten, wobei man hier am häufigsten den schwarz-grünlich schillernden Echsen begegnet. Auch wenn das türkisschimmernde Meer an vielen Stellen zum Baden einlädt, ist das nur an den zwei dafür ausgewiesenen kleinen Stränden erlaubt. Und wichtig: Man findet auf der ganzen Insel keine Papierkörbe, das heißt, jeder Abfall muss wieder zurück nach Mallorca genommen werden. Wer etwas mehr laufen möchte, für den lohnt sich die 11 km lange Wanderung zum Leuchtturm Ensiola. Hier, von den Steilklippen, die bis zu 50 Meter tief ins Meer abfallen, hat man einen wunderschönen Ausblick.
Auf der ganzen Insel gibt es nur wenige Gebäude, auch kein Hotel und keine Restaurants. Einzig in der am Hafen gelegenen kleinen Bar La Cantina kann man Erfrischungen oder etwas zu Essen kaufen. Seit einigen Jahren besteht auch wieder die Möglichkeit, in einer einfachen Herberge unweit des Hafens ein Zimmer für ein oder zwei Nächte zu reservieren. Das sollte unbedingt rechtzeitig vor dem geplanten Besuch in Angriff genommen werden. Die Verpflegung, also Essen und Getränke, müssen aber mitgebracht und alle Abfälle wieder mitgenommen werden.
Wer mit einem Ausflugsboot die Insel besucht, kann sich vor der Rückfahrt nach Mallorca noch auf ein Highlight freuen. Alle Anbieter legen einen Stopp in der berühmten Blauen Grotte (cueva azul) ein. Diese vom Meer ausgewaschene Kalksteinhöhle an der nördlichen Küste ist im Eingangsbereich sechs Meter hoch und im Inneren bis zu 20 Meter. Die Boote fahren in die Grotte, wo die Nachmittagssonne spektakuläre Licht- und Farbeffekte hervorruft und das Meerwasser in magischen Blautönen schillern lässt. Und wer mag, springt vom Boot aus direkt hinein.
Christiane Jonas
Titelfoto / Von der Burg hat man auch einen schönen Blick über den Hafenbereich. / Foto: Christiane Jonas