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Schafherde auf Moorland

Niedersachsen: Die Moorwunder vom Emsland und das Bayern des Nordens – ein Erlebnisbericht

Unser Autor Günter Knackfuss ist begeistert vom Emsland, lesen Sie seinen dritten Bericht über diese Region.

Die Ferienregion Emsland in Niedersachsen hat viele Wunder zu bieten – aber die Moorgeschichten dominieren allenthalben. Als es vor 380 Jahren zum Alltag wurde, im und vom Moor zu leben, sprachen alle seine Nutzer vom Segen und Fluch des Moores zugleich. War das Emsland einst das Armenhaus von Deutschland, spricht man inzwischen vom „Bayern des Nordens“.

Wunder: Mythos Emsmoor

Bereits 1630 wurde begonnen, moorige Feuchtbodengebiete für Siedlung und Landwirtschaft zu erschliessen. Ab dem 17. Jahrhundert erfolgte generell die „Fehnkolonisation“. Typisch dafür der Kanalbau zur Entwässerung des Moores und den Abtransport der Torfernten. Für die Ansiedlung meldeten sich meist einfache Knechte und Mägde. In wohl in allen Moorgebieten galt der Spruch: „Den Eersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brod“ (Des Ersten Tod, des Zweiten Not und des Dritten Brot). Im 18. Jahrhundert entstanden zahlreiche Dörfer mit Ackerflächen und Viehhaltung. Denn die von den Pionieren kultivierte Moorlandschaft verhieß Zukunft (https://moormuseum.de/)

Wunder: Emslandplan

Die wahrlich entscheidende Umwandlung der Moorlandschaften markiert der Emslandplan von 1950. Nach dem 2. Weltkrieg waren Zehntausende Deutsche durch Flucht und Vertreibung aus deutschen Reichsgebieten an der Ems „gestrandet“. Zukunft ungewiss. Deshalb sah der vom Bundestag beschlossene revolutionäre Plan vor, das rückständige Emsland dem Lebensstandard der Bundesrepublik anzugleichen. Ein Weg: Die Bauern gingen dazu über, mit großem technischen Aufwand das Moor nutzbar zu machen. Das vollzog sich in drei Phasen: Kennzeichnend für die erste Phase, die bis etwa 1965 dauerte, war die Verbesserung der Landwirtschaft. Durch die Kultivierung von Ödland und Moor erreichte man eine Vergrößerung der nutzbaren Flächen und durch verbesserte Landbaumethoden eine Steigerung der Erträge.

Emsland: Riesenpflug im Museum
Riesenpflug im Museum. / Foto: Günter Knackfuss

Kennzeichnend für die gesamte Periode war der Einsatz neuer Techniken und Innovationen. So wurden z.B. mit Hilfe riesiger Tiefpflüge – Ottomeyerpflüge, Typ Mammut, plus Lokomobile – weite Moorgebiete wie das Bourtanger Moor sowie Heideflächen umgegraben und landwirtschaftlich urbar gemacht. Das gesamte Wunder des Konjunkturprogramms ist nacherlebbar gestaltet mit vielen Originalexponaten im Moormuseum in Groß Hesepe. Seit zwei Jahren tuckert dort auch wieder die legendäre Feldbahn durch die Restmoorlandschaft.

Wunder: Schwarzes Gold in 2000 Metern Tiefe

Das Wunder Ölboom in und um die Moor- und Heidegebiete begann bereits mit Probebohrungen 1942. Heute sind über 300 Förderanlagen (Kopfnicker) Markenzeichen für Beschäftigung und Wohlstand. Der Schmierstoff für Wirtschaft und Autos wird mit 100 Bar Druck aus dem Boden gepumpt. Die flächenmäßig größten Erdölfelder auf dem Festland liegen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Hier werden jährlich rund 230.000 Tonnen Öl gefördert. „In deren Zentrum liegt die kleine Stadt Gemeinde Twist; sie ist sozusagen das Dallas von Deutschland. Hier befinden sich unsere größten Erdölfelder. Es ist aber nicht nur die unmittelbare Förderung von Erdöl und Erdgas allein, die den Wohlstandsboom der Region bestimmt. Hier sind es die zig Hunderte Spezialfirmen und Dienstleister drumherum, die das komplexe Funktionieren sichern“, sagt Rudi Gaidosch, Leiter des Erdöl-Erdgasmuseums (http://www.erdoel-erdgas-museum-twist.de/).

Mit der Moorbahn beschaulich im Emsland unterwegs
Mit der Moorbahn beschaulich die Natur genießen. / Foto: Günter Knackfuss

Wunder: Naturschutzgebiet Geestmoor

Es klingt anders, es riecht anders und es sieht vollkommen anders aus als alle übrigen Landschaften Europas: Das Geestmoor ist ein einzigartiger, fast schon exotischer Lebensraum. Im Wechsel der Jahreszeiten färbt sich die Ebene immer neu: Im Mai setzen die watteweichen Fruchtstände des Wollgrases weiße Glanzlichter, im August leuchten die Besen- und Glockenheiden violett. Und vor dem dunklen Spiegel der Wasserflächen schimmern zahllose Libellen und Schmetterlinge in allen Farben. Was in früheren Jahren unter die Torfmaschinen geriet, ist heute mehr denn je schützenswert. Der Schutzzweck im 260 Hektar großen Gebiet ist die Erhaltung und Entwicklung einer vielfältigen Hochmoorlandschaft mit naturnahem Hochmoor, feuchten Heiden, Moor-Birkenwald und Wiedervernässungsflächen.

Im Naturschutzgebiet Geestmoor weist ein großer nicht abgetorfter Bereich noch das Artenspektrum eines naturnahen Hochmoores auf. In den übrigen Bereichen ist entweder der Torfabbau abgeschlossen und die Wiedervernässung eingeleitet, oder sie werden als Hochmoorgrünland bewirtschaftet. Alles gut erkennbar von der Aussichtsplattform, erreichbar über die Twister Straße (K 268). Eine hier erlebbare Variante des Moorschutzes ist die Wiedervernässung. Dabei werden Entwässerungsgräben zugeschüttet, Vernässungspolder und Dämme angelegt. Die Natur kann sich regenerieren, seltene Arten siedeln sich wieder an. So wird die natürliche Moorfunktion als Kohlenstoffspeicher wiederbelebt. Für diese Projekte werden aktuell Moorpaten gesucht.

Keine Einbußen im naturgeschützten Paradies müssen die Fahrradtouristen befürchten. Das gesamte Emsland hat genug Platz für ein ausgeprägtes Radwegenetz von über 3.500 Kilometern Länge entlang der Flussläufe von Ems und Hase sowie durch Moore und Wälder. Rund eine Million Urlauber verzeichnet die Emsland Tourismus jährlich, die meisten von ihnen sind Radwandertouristen und Familien. Dementsprechend gibt es ideale Radrouten mit „Flachland-Garantie“ sowohl für Freizeit- als auch ambitionierte Hobbyradler bis rüber nach Holland auf alten Schmuggelwegen.

Günter Knackfuss

Titelfoto / Schafherde auf Moorland. / Foto: Günter Knackfuss

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Mooransichten im Emsland
Mooransichten im Emsland / Foto: Günter Knackfuss

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