Beim Durchschreiten des prächtigen Eingangstors zum Kaiserpalast von Shenyang fühlst du dich wie auf einer Zeitreise: Vor dir ragt ein dreistöckiger Pavillon mit geschwungenem gelben Dach über den roten Palastmauern empor und kündet vom einstigen kaiserlichen Glanz. Diese Palastanlage – auch bekannt als Mukden-Palast – diente den ersten Kaisern der Qing-Dynastie im 17. Jahrhundert als Residenz.
Nach der Verbotenen Stadt in Peking ist die Anlage der einzige vollständig erhaltene Kaiserpalast Chinas und zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wer hier herkommt, wandelt durch mit Drachen verzierte Tore und auf glatten Steinwegen zwischen historischen Hallen und Höfen – und spürt den Hauch von 400 Jahre alter Geschichte im Norden Chinas.

Geschichte und Architektur des Palastes
Der Kaiserpalast von Shenyang wurde ab 1625 vom mandschurischen Herrscher Nurhaci begründet und 1636 unter seinem Sohn Huang Taiji (Abahai) vollendet. Bis 1644 residierten hier die ersten Qing-Kaiser, bevor sie die Hauptstadt nach Peking verlegten. Der Palast blieb jedoch als Regionalresidenz erhalten und wurde später mehrfach erweitert, u. a. um 1780 unter Kaiser Qianlong.

Im Vergleich zur Verbotenen Stadt in Peking mit 720.000 Quadratmeter Größe ist Shenyangs Palast mit 60.000 Quadratmetern deutlich kleiner. Aber nicht minder wichtig, denn die Anlage beeindruckt auch durch eine einzigartige Architekturmischung. Mandschu-, Han-chinesische, mongolische und sogar tibetische Stileinflüsse verschmelzen hier.

Einem nomadischen Zelt nachempfunden
So erinnert z. B. die Dazheng-Halle (Thronsaal) im Osthof an die Form einer Jurte; auf ihrem Dach ziehen acht Figuren von Mongolenkriegern an Ketten – ein Symbol für die Einheit von Mandschu und Mongolen. Die Dazheng-Halle, ein achteckiges Gebäude, ist einem nomadischen Zelt nachempfunden, was eine direkte Reminiszenz an die ursprüngliche Lebensweise der Manchu-Herrscher darstellt. Die zehn Pavillons, die die Halle umgeben, dienten als Büros für die “Zehn Prinzen” des “Acht-Banner”-Systems, das die politische und militärische Organisation des frühen Manchu-Staates widerspiegelte. Dies steht in starkem Gegensatz zur strikten, symmetrischen Anordnung der Gebäude in Peking, die der klassischen chinesischen Stadtplanung und Symbolik (Yin und Yang, Nord-Süd-Achse) folgt.

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Unterschiedliche Baustile
Ein weiteres architektonisches Detail, das die kulturellen Unterschiede unterstreicht, ist das traditionelle Kang-Heizsystem. Dieses beheizbare Ziegelbett ist eine typische Einrichtung der Wohnbereiche in Nordchina und ein charakteristisches Merkmal des Manchu-Baustils. Im Fenghuang-Gebäude im Mittelteil des Palastes sind solche Betten zu finden, wobei der Schornstein traditionell auf der Rückseite platziert ist – eine architektonische Besonderheit der Manchu. Solche kulturell spezifischen Wohnmerkmale fehlen in den streng formalen Palästen Pekings.

Der Mittelteil war das Zentrum des kaiserlichen Lebens und der Staatsführung. Die Hauptgebäude dieses Bereichs, wie die Chongzheng-Halle und der Fenghuang-Turm, wurden während der Regierungszeit von Hong Taiji in den Jahren 1627 bis 1635 erbaut. Die Chongzheng-Halle diente dem Kaiser für Staatsgeschäfte und offizielle Empfänge. Der majestätische Fenghuang-Turm, auf einer vier Meter hohen Ziegelplattform errichtet, war ein wichtiger Wohnsitz und Schauplatz für kaiserliche Bankette. Dieser Bereich steht für die erste Phase der kaiserlichen Herrschaft, als sich die Dynastie formal etablierte.

Die Chongzheng-Halle folgt dem chinesischen Palaststil mit vorgelagertem Audienzsaal und dahinter liegenden Wohnräumen. Die meisten Palastdächer sind mit leuchtend gelben glasierten Ziegeln gedeckt, gesäumt von grünen Ornamenten, während Wände und Säulen in glücksverheißendem Rot erstrahlen. Fein geschnitzte Holztüren und Deckenmalereien zeugen vom Kunsthandwerk der Qing-Zeit. Gleichzeitig ist die Bausubstanz an das raue Klima Nordostchinas angepasst – mit dicken Mauern, kleinen Fenstern und beheizbaren „Kang“-Betten in den Gemächern.

In drei Hauptbereiche unterteilt: Ost-, Mittel- und Westteil
Die Palastanlage verteilt sich auf drei Haupthöfe aus unterschiedlichen Bauphasen. Die dreigliedrige Anordnung des Palastes ist ein physischer Zeitstrahl. Er beginnt mit den militärischen und nomadischen Wurzeln im Osten, entwickelt sich zur ersten Phase der etablierten kaiserlichen Herrschaft in der Mitte. Und endet mit den späteren Ergänzungen im Westen, die eine bereits gefestigte imperiale Tradition zeigen.
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Im östlichen Sektor (dem ältesten) liegt die bereits erwähnte Dazheng-Halle, flankiert von zehn kleineren Pavillons, die einst den acht Bannerarmeen der Mandschu vorbehalten waren.

Durch das mächtige Daqing-Tor gelangt man in den mittleren Sektor, wo die Chongzheng-Thronhalle für offizielle Zeremonien diente. Dahinter erhebt sich der Phoenix Tower (Fenghuang Lou), ein dreistöckiger Aussichtsturm, der zur Zeit seiner Erbauung das höchste Gebäude der Stadt Shenyang war. Gleich nebenan befindet sich mit dem Qingning-Palast der Wohnbereich der Kaiserfamilie.

Im westlichen Sektor, der erst unter Kaiser Qianlong hinzugefügt wurde, entdecken Besucher unter anderem ein kleines Theater mit Bühne, die Jiayin-Halle sowie den Wensu-Pavillon, der einst als kaiserliche Bibliothek diente. Insgesamt umfasst das Palastgelände über 20 Höfe und 300 Räume, die heute größtenteils museal genutzt werden. Während man von Hof zu Hof schlendert, gibt es hinter jeder Tür neue Details zu bestaunen – seien es kunstvoll verzierte Dachfirste, steinerne Drachenwasserspeier oder filigrane Lackarbeiten.

Highlights im Palast: Säle, Ausstellungen und Atmosphäre
Im Inneren der Hallen entfaltet sich der ganze kaiserliche Prunk. Betritt man etwa die Chongzheng-Thronhalle, erblickt man einen erhöhten Thron mit goldglänzenden Drachenmotiven, flankiert von roten Säulen, die von vergoldeten Drachen umschlungen werden.

Ein massiver bronzener Räucherofen steht davor – man kann sich lebhaft vorstellen, wie der Kaiser hier einst Audienz hielt. Heute sind viele Säle mit Ausstellungsstücken arrangiert: Originale Thronsessel, Paravents, kaiserliche Gewänder und Waffen lassen die Qing-Zeit lebendig werden.
Überall zeugen Schautafeln (auf Chinesisch, Englisch und Russisch) von historischen Ereignissen, die diese Mauern erlebt haben. Der Palast dient nun als Museum, das unzählige Kulturschätze präsentiert – von Kalligraphien und Gemälden bis zu Keramiken und Emaille-Kunstwerken. Die Vielfalt der Exponate – Roben, Waffen, Porzellane, Möbel und Schmuck – spiegelt die hohe Handwerkskunst der Ming- und Qing-Dynastie wider.

In einem Nebengebäude stößt man auf eine Vitrine mit zwei besonders eindrucksvollen Vasen: Die eine, weinrot mit filigranen Blumen- und Vogelmustern, die andere weiß mit neun bunt geschwungenen Drachen verziert. Solche Porzellanschätze gehörten einst zur kaiserlichen Sammlung und sind heute Teil der Ausstellung. Auch persönliche Gegenstände der Qing-Kaiser wie Siegel, Schriftrollen oder Schwerter (darunter angeblich das Schwert Nurhacis) kannst du bewundern.

Nicht zu vergessen ist die einzigartige Atmosphäre vor Ort. Zwischen den historischen Gebäuden flanieren Einheimische und relativ wenige ausländische Reisende. Der fotogene Palast bietet zahllose Postkartenmotive und so siehst du unzählige Personen, die das beste Selfie machen wollen. Mir drängt sich die Frage auf: Ist China Selfie-Weltmeister?

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Beste Besuchszeit und Klima
Shenyang liegt im Nordosten Chinas und erlebt kontinentales Klima. Frühling und Herbst gelten als die angenehmsten Reisezeiten: Von April bis Juni ist das Wetter mild und die Gärten beginnen zu blühen – ideal, um den Palast in frischem Grün zu erleben. September und Oktober bringen klare, kühle Luft und bunt verfärbte Bäume in den Palasthöfen. Im Sommer (Juli/August) kann es hingegen recht heiß und schwül werden (Durchschnitt um 25 °C, Spitzen über 30 °C), zudem fällt in dieser Zeit der meiste Regen. Der Winter in Shenyang ist eiskalt – durchschnittlich -11 °C im Januar und nicht selten schneebedeckt.

Ein verschneiter Kaiserpalast hat zwar seinen ganz besonderen Reiz, doch nur gut eingepackte Besucher werden die Temperaturen von Dezember bis Februar genießen können.
Wer die Hauptreisezeiten in China umgehen kann, sollte dies tun: Rund um das chinesische Neujahr im Winter sowie in der Goldenen Woche Anfang Oktober strömen besonders viele Besucher in den Palast. In der Nebensaison oder werktags lässt sich die Anlage deutlich entspannter erkunden.
Anreise

Der Kaiserpalast liegt im Zentrum von Shenyang im Stadtteil Shenhe. Er ist gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden.
- Vom Flughafen: Eine Taxifahrt vom Shenyang Taoxian International Airport (SHE) dauert etwa 30 Minuten und kostet rund 80 RMB. Alternativ gibt es Flughafen-Shuttlebusse, die zu verschiedenen Stationen in der Stadt fahren.
- Von den Bahnhöfen: Sowohl der Hauptbahnhof Shenyang Railway Station als auch der Nordbahnhof sind über die U-Bahn-Linie 1 gut erreichbar. Ein weiterer beliebter Weg ist die Anfahrt mit der U-Bahn zur Station “Zhongjie” (Midstreet), die in unmittelbarer Nähe des Palastes liegt.

Öffnungszeiten und Tickets
Der Kaiserpalast (Palastmuseum) Shenyang ist ganzjährig geöffnet, allerdings variieren die Öffnungszeiten je nach Saison.
Im Sommerhalbjahr (ca. April–Oktober) kann man meist von 8:30 bis 17:30 Uhr den Palast besichtigen; im Winterhalbjahr etwa von 9:00 bis 16:30 Uhr (Einlass-Schluss ist jeweils etwa 45 Minuten vor Schließung).
Eine Besonderheit ist, dass der Palast an Montagnachmittagen geschlossen ist, mit Ausnahmen an Feiertagen sowie im Juli und August.
Ein Eintrittsticket kostet 60 RMB (derzeit etwas mehr als 8 €) pro Erwachsenem. Ermäßigungen (halber Preis) erhalten Studenten und Senioren mit entsprechendem Ausweis. Kinder unter 1,3 Meter Körpergröße haben gratis Eintritt.
Tickets können vor Ort an der Kasse gekauft werden – Reisepass bereithalten, da bei Kauf die Ausweisnummer registriert wird.
Wer Wartezeiten vermeiden will, kann auch online Tickets buchen, etwa über offizielle chinesische Apps oder Reiseportale. In der Hochsaison ist es sinnvoll, das Ticket im Voraus zu sichern. Vor Ort werden neben Barzahlung meist auch mobile Bezahlsysteme (Alipay, WeChat Pay) akzeptiert.

Nützliche Tipps für den Palastbesuch
Fotografieren ist im Kaiserpalast Shenyang grundsätzlich erlaubt und bei den Besuchern sehr beliebt – man sieht viele Reisende mit Smartphones oder Kameras. In den Außenbereichen kannst du unbesorgt drauflos knipsen. In den Innenräumen gilt: Blitzlicht ausschalten und auf eventuelle Verbotsschilder achten.
Wer mag, kann vor Ort sogar in historische Kostüme schlüpfen: Es gibt Anbieter, bei denen man sich in opulente Qing-Gewänder kleiden und im Palasthof für Erinnerungsfotos posieren kann – ein Spaß, der vor allem von einheimischen Touristen gern genutzt wird.
Plane für deinen Besuch genügend Zeit ein. Obwohl das Areal kleiner ist als jenes der Verbotenen Stadt in Peking, sind die vielen Höfe und Säle doch weitläufig. Mit spontanen Fotostopps und Muße zum Bestaunen von Details vergehen schnell mindestens zwei bis drei Stunden. Geschichts- und Kulturbegeisterte können auch einen halben Tag einplanen, um wirklich alles zu sehen. Vor Ort gibt es Bänke und schattige Ecken für kleine Pausen, die allerdings in den Sommermonaten häufig bereits besetzt sind. Kioske mit Trinkwasser und Snacks sind für Verschnaufpausen vorhanden.
Für ein tieferes Verständnis der Stätten ist eine Führung empfehlenswert. Täglich werden auf Chinesisch Führungen zu festen Zeiten angeboten. Wegen der Sprachkenntnisse ist es vermutlich besser, sich direkt am Eingang einen privaten Guide zu suchen, der zumindest Englisch kann. Es gibt aber auch deutsch sprechende Guides. Alternativ kannst du auch einen Audio-Guide wählen, den es in mehreren Sprachen gibt. Zur Not bieten die mehrsprachigen Informationstafeln (Englisch ist meist dabei) im Palast aber auch ausreichend Infos für einen individuellen Rundgang.
Titelfoto / Der Chongzheng-Palast, auch “Palast der großen Regierung” genannt, im Shenyang-Kaiserpalast. Er ist das größte und wichtigste Gebäude der mittleren Sektion und diente als der kaiserliche Thronsaal für offizielle Angelegenheiten. / Foto: Ingo Paszkowsky

Ingo Paszkowsky
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