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Tibet: Einmal den heiligen Berg Kailash umrunden

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Der Kailash wird als die Seele Tibets verehrt. Reisebuchautor Thomas Bauer umrundete ihn zu Fuß und schildert seine Erlebnisse mit Polizeikontrollen, Panikattacken und der Faszination des Pilgerns.

Es ist überraschend, dass der Kailash hierzulande wenig bekannt ist, obwohl er für ein Fünftel der Weltbevölkerung heilig ist. Bis heute hat ihn niemand bestiegen. In seiner Umgebung entspringen vier wichtige Flüsse, die ganz Südasien versorgen: Brahmaputra, Indus, Satluj und Karnali, der in den Ganges mündet.

Die Umrundung des Kailash – 54 Kilometer auf der Kora – bietet nicht nur einen tiefen Einblick in die tibetische Denkweise, sondern soll laut Volksglauben auch von allen Sünden reinigen.

Der Ruf des Kailash hat mich über 18 Jahre begleitet. Ich fühle mich von Orten angezogen, an denen Menschen nach Außergewöhnlichem streben. Doch Abgeschiedenheit, bürokratische Hürden und Corona-Reisebeschränkungen hielten mich bisher ab.

Ein majestätischer Berg

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Seine Majestät, der Kailash / Foto: Thomas Bauer

Seit Januar 2024 ist es für Deutsche möglich, visumfrei nach Tibet zu reisen. Doch um zum Kailash zu gelangen, erwartet mich eine beschwerliche Reise von Lhasa bis zur Grenze zu Indien und Nepal – 1.300 Kilometer über eine baumlose, staubtrockene Hochebene. Unterwegs verliere ich rasch den Überblick über die Polizeikontrollen, die oft stundenlang dauern. Dabei spielt meine „Tibet-Erlaubnis“ eine zentrale Rolle, ein Dokument, das ich Wochen im Voraus beantragen musste. Auf der Rückseite wird mir geraten, gelassen zu bleiben: „Please keep a relaxed and happy mood!“.

Schließlich stehe ich vor dem majestätischen Berg – ein überwältigendes Gefühl. In Darchen, dem Ausgangspunkt der Umrundung, bin ich fast auf der Höhe des Montblancs. Ein mystischer Ort, an dem mein Rechtschreibprogramm ironisch fragt: „Meinen Sie: Drachen?“. Es würde mich nicht wundern, wenn hier ein solches Wesen vorbeifliegen würde, ausgehend von der schneebedeckten Pyramide, die direkt neben dem Dorf thront.

Die wahren Pilger

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Abenteurer Thomas Bauer vor dem Potala-Palast in Lhasa / Foto: Thomas Bauer

Am ersten Tag der Umrundung kämpfe ich um Atemluft, während akklimatisierte, siebzigjährige Tibeterinnen mit ihren Enkeln an mir vorbeiziehen.

Bei strahlendem Sonnenschein klettert das Thermometer auf zwanzig Grad Celsius, doch oft bringt der Himmel auch Schnee. Stündlich ziehe ich meine Jacke an und wieder aus.

Die Hingabe der Pilger überwältigt alles, was ich bisher erlebt habe. Während einige „westliche“ Abenteurer mit modernster Ausrüstung unterwegs sind, sind die wahren Pilger die Tibeter in abgetragenen Kleidern, ausgestattet mit Glauben, Geduld und unerschütterlichem Vertrauen. Viele von ihnen vollziehen die Kora in einem rituellen Akt der Niederwerfung: Sie legen sich flach auf den Boden, machen drei Schritte nach vorne, verbeugen sich und wiederholen den Vorgang, während sie unaufhörlich beten. Für ihre Umrundung benötigen sie drei Wochen, während ich bei dem ersten Windstoß unruhig werde.


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Die Kraft des Kailash

Trotzdem spüre ich die Kraft des Kailash. Mal schwebt sein Gipfel in den Wolken, mal strahlt er so hell, dass ich versucht bin, ihn zu berühren. Während der gesamten Pilgerreise bleibt der Kailash mein ständiger Begleiter. Anders als viele, die ihn gerne besteigen würden, erweisen wir ihm durch die Umrundung Respekt. Er war lange vor uns hier und wird es bleiben, wenn unsere Körper zu Staub zerfallen sind.

Nach gut vier Stunden plagt mich ein stechender Kopfschmerz. Die Sonne ist zu hell, mein Herz schlägt schnell und der Boden unter meinen Füßen schwankt. Die Farben der Gebetsfahnen und der Gesang der Gläubigen vermischen sich in einem ohrenbetäubenden Rauschen. Ich setze mich auf einen Felsen und bekomme von jemandem einen Becher Buttertee angeboten – eine fetthaltige Mischung aus gesalzenem Yakbutter und Tee, die in Tibet selbst von Kindern zum Frühstück genossen wird.

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Das Yak die “eierlegende Wollmilchsau” in Hochasien / Foto: Thomas Bauer

Nach kurzer Zeit fühle ich mich bereit, weiterzugehen, muss jedoch alle zehn Minuten eine Pause einlegen. Plötzlich überkommt mich Panik: Ich fühle mich gefangen auf dieser endlosen Hochebene. Mit Mühe erreiche ich mein Tagesziel, eine Baracke, die jemand ironisch als „Hotel“ beschildert hat. Ich ziehe alles an, was ich dabeihabe, denn selbst drinnen sind es minus zwanzig Grad. Dennoch finde ich Schlaf, bis mich düstere Gedanken wecken: Morgen steht der Dolma-La-Pass, die höchste Stelle der Umrundung, bevor. Werde ich das schaffen? Werde ich die Gefahren rechtzeitig erkennen?

Keine leichte Aufgabe

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Saga Dawa Fest in Tibel / Foto: Thomas Bauer

Unruhig stehe ich auf und trete hinaus. Vor mir erhebt sich der Kailash, massiv und unbestechlich. Ich habe das Gefühl, dass er mir eine Aufgabe stellt. Hier gibt es keinen Handyempfang und niemanden, der im Notfall vom Berg hilft. Ich werde mir meiner Zerbrechlichkeit bewusst, was mir hilft, das Leben neu zu schätzen. Ich darf mich der Kora hingeben und eine Kraft spüren, die mich, wenn alles gut läuft, auffängt. Dafür bin ich hier, und darauf habe ich 18 Jahre gewartet. Dennoch ist es für einen „Westler“ keine leichte Aufgabe!

Am nächsten Morgen präsentiert sich der Berg freundlicher, sein Gipfel strahlt rotgelb in der aufgehenden Sonne. Das betrachte ich als gutes Omen und zwinge mich, langsam einen Schritt vor den anderen zu setzen. Der Weg führt steil nach oben. Mehrmals rutsche ich auf dem gefrorenen Boden aus und muss zurückklettern. Doch ich lasse los: Ich vergesse die Zeit und den Weg, lasse mich von den Wolken und der Sonne treiben, während tibetische Satzfetzen um mich herum murmeln. Schließlich merke ich, dass ich die heiligste Stelle der Kora erreicht habe – bei den obligatorischen Gipfelfotos strahle ich wie ein Honigkuchenpferd.

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Geschafft! Thomas Bauer am höchsten Punkt der Bergumrundung. / Foto: Thomas Bauer

Es folgt ein sechsstündiger Abstieg und eine weitere rustikale Übernachtung, bevor ich in ein weitläufiges Tal zurück nach Darchen gelange. Am Wegrand entdecke ich immer wieder Steine mit der Beschwörungsformel „Om Mani Padme Hum“, die jemand über den Pass getragen hat. Der Kailash grüßt freundlich von rechts. Er hat mir viel gegeben, mich neu verankert und mir geholfen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Vermutlich ist das, was wir in unserem hektischen Alltag am meisten brauchen. Doch dieser Berg hat mir auch eine Grenze aufgezeigt: In diesem Leben werde ich wohl nicht mehr höher als 5.698 Meter steigen.

Und das muss ich auch nicht. Der Berg ist jetzt ein Teil von mir.

Thomas Bauer, 2.11.24

Titelfoto / Beginn der Umrundung / Foto: Thomas Bauer

Praktische Informationen

Anreise:

Über Lhasa oder Kathmandu. Seit Januar 2024 ist für Deutsche ein Aufenthalt in China von bis zu zwei Wochen visumfrei möglich. Für Tibet wird eine Sondererlaubnis verlangt, die die meisten Touranbieter zur Verfügung stellen. Ansonsten beantragt man sie einige Wochen im Voraus online.

Beste Reisezeit:

Mai/Juni, wenn das Saga Dawa Festival stattfindet. Im (langen) tibetischen Winter sind viele Strecken hingegen unpassierbar. 

Touranbieter:

In Deutschland u.a. Diamir, schulz aktiv reisen und Hauser Exkursionen.

In China u.a. Amazing Tibet – der Tibet Reisen* Spezialist und Tibet Travel.

Ablauf:

Empfehlenswert ist ein Gabelflug Lhasa/Kathmandu, um wirklich alle Besonderheiten auf dem Weg „mitzunehmen“. Höhepunkte sind dabei der Potala-Palast in Lhasa, die tibetischen Klöster Drepung und Sera, die quirlige Metropole Kathmandu und das Everest Base Camp mit Blick auf den höchsten Berg der Erde.

Die mehrtägige Anreise trägt zur Akklimatisierung bei. Die Umrundung selbst ist 54 Kilometer lang und dauert in der Regel drei Tage. Manche Einheimische schaffen die Strecke in nur einem Tag. 

Standards:

Insbesondere auf der Bergumrundung nicht wie gewohnt. Die Unterkünfte sind schlicht, zu essen gibt es Tsampa, den berühmt-berüchtigten Gestenbrei, zu trinken Buttertee.

In Darchen und in größeren Städten wie Lhasa und Shigatse gibt es hingegen gute tibetische und chinesische Restaurants.

weltreisendernet ontheroad gerstenbrei und buttertee 20241102
Foto: Thomas Bauer

Weitere Informationen:

Abenteurer Thomas Bauer hat 14 Bücher über seinen Touren veröffentlicht. Zuletzt erschienen: „Neugier auf die Welt. In 80 Rätseln um die Erde“, Periplaneta Verlag, Berlin.  

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1 Kommentar zu „Tibet: Einmal den heiligen Berg Kailash umrunden“

  1. Kailash Umrundung

    Wir waren schon mal in der Kailash Region als wir 2023 Tibet besuchten und den heiligen Berg haben wir komplett umrunden können, einfach unvergesslich!

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