Sie verläuft durch vier Wüsten, ist wahrscheinlich eine der härtesten Pisten der Welt und sicher die längste und einsamste Strecke Australiens: die Canning Stock Route in Westaustralien. Sie duldet keine Fehler, bestrafte noch vor nicht langer Zeit mangelnde Vorbereitung mit dem Tod, wie die beiden australische Wanderarbeiter, Bradley John Richards und sein Neffe Mac Bevan Cody, eigentlich erfahren im Outback. Sie verdursteten gemeinsam mit ihrem Hund, weil ihr Geländefahrzeug einen Schaden hatte und sie mit zu wenig Wasser auf der CRS – wie Outdoor-Insider die unwegsame Strecke nennen – mit sich führten. Senior Sergeant Geoff Stewart aus Newman, einer Bergarbeiter-Stadt in der Region Pilbara, brachte es auf den Punkt: „Sie haben alles falsch gemacht, denn sie haben ihr Fahrzeug nicht richtig prepariert, sie haben sich nicht informiert und sie haben niemandem von ihrer Fahrt erzählt.“
Die Canning Stock Route duldet keine Fehler
Fehler machte auch der Deutsche Kim Hardt und kam gerade mal so mit dem Leben davon. Sein Allrad-Fahrzeug steckte in der Nähe des Salzsees Lake Disappointment fest. Fünf Tage überlebte Hardt bei infernalischen Temperaturen von 50 Grad am Tag. Als ihn andere Touristen schließlich entdeckten, hatte er zwar einige Liter Bier im Auto, aber lediglich noch einen Liter Wasser. Nur nebenbei: Die empfohlene Trinkdosis Wasser bei derartigen Temperaturen liegt bei einem Liter pro Stunde! Hardt hatte ein Handy, dass ihm wegen fehlender Mobilfunkversorgung überhaupt nichts nutzte. Seine Retter konnten per Satellitentelefon quasi in letzter Minute einen Hubschrauber rufen, den nächsten Tag hätte er nicht mehr erlebt.
Mittlerweile sind die Leihfahrzeuge in der Regel mit einem Notrufsender (EPIRB) ausgerüstet, den man allerdings nur betätigen sollte, wenn wirklich Not am Mann ist. Sonst kann es sehr teuer werden. Mehr dazu in unserem Interview mit dem CSR-Experten Otto Schächtele.
Eine alte Viehtrieb-Route
Die alte Viehtriebroute, die über rund 2000 Kilometer von Halls Creek in den fast menschenleeren Kimberleys nach Wiluna, ca. 800 Kilometer nordöstlich der australischen Großstadt Perth führt, wurde vor rund 100 Jahren erstmals genutzt. Arbeiter in den Goldfeldern von Wiluna, Coolgardie oder Kalgoorlie wollten mit Rindfleisch versorgt sein. Rinder gab es reichlich in der nördlichen Kimberley-Region. Wie also die Tiere dorthin bringen? Der Seeweg war lang und teuer, die kürzeste Strecke zwischen dem nördlichen Halls Creek und Wiluna führte jedoch durch die unerforschten Wüsten von Westaustralien. Nach einigen gescheiterten Versuchen Ende des 19. Jahrhunderts, wurde der Landvermesser Alfred Cannings beauftragt, das Gebiet zu erforschen und eine Route zu finden. Zudem dezimierten Zecken von 1870 aus Afrika importierten Zebus die Rinderbestände in den Kimberleys. Damit sich die Parasiten nicht weiter ausbreiten, war ihr Transport auf dem Wasserweg verboten. Um ihr Fieber zu senken, gingen die Rinder in Wasserlöcher, die sich rot vom Urin der kranken Tiere färbten, so die Überlieferung. Mit ihrem Vorhaben, die Tiere durch die Wüste zu treiben, schlugen die Herren der Rinderherden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Bei Erfolg könnten sie den Süden mit Fleisch beliefern und keine Zecke würde den monatelangen Viehtrieb durch eine Wüste überleben.
Innerhalb von vier Jahren legte Canning mit seinen Männern den Track an und gründete 51 Brunnen (Wells). Dabei ging er rücksichtlos vor, nahm Aborigines als Geiseln und erschoss sie, wenn sie nicht kooperierten. Aber auch mehrere seiner Arbeiter fanden den Tod durch Krankheit oder Angriffe der Ureinwohner. Im Prinzip folgte Canning einer alten Route der Eingeboren, auf der sie schon Tausende von Jahren vor der Ankunft der weißen Eroberer wanderten.
Die Faszination ist geblieben
1911 trieb der „Drover“ Tom Cole der ersten „Mob“ aus mehreren Hundert Rindern durch die unwirtliche Gegend. 48 Jahre später wurde das letzte Mal von Mal Brown Vieh über die alte Route getrieben. 35 Viehtriebe erlebte die Canning Stock Route. Während des zweiten Weltkriegs sollte sie bei einer Landung des japanischen Kriegsgegners an der Nordküste als Rückzugsstrecke dienen.
Seit ihrer Entstehung hat sich an der Faszination, die dieses schwer bezwingbare Band durch die Wüste auf die Menschen ausübt, nichts geändert. Nur heute sind auf ihr moderne Abenteurer mit Allradfahrzeugen unterwegs, die mit mehr als 200 Pferdestärken dennoch häufig im feinen, roten Sand steckenbleiben, Mensch und Maschine bis an Äußerste belasten. Mittlerweile wagen bis zu 1500 Fahrzeuge jährlich den Tripp.
Im südlichen Winter, wenn es in der Wüste regnet, sind die Wege nicht mehr befahrbar. Jedes Fahrzeug sinkt bis zur Achse ein. Selbst das Militär musste schon aufgeben und hat nur Wochen später seine Fahrzeuge wieder flott bekommen. Und im Hochsommer bei 50 Grad ist es nicht nur für die Menschen zu heiß, sondern auch für die 4WDs, denn sie müssen Schwerstarbeit leisten.
Etwa 1000 Dünen zählt der Track und viele sind erst beim zweiten oder dritten Anlauf zu schaffen. Freischippen der Fahrzeuge gehört zur Tagesordnung. Zudem gibt es kein Wasser, keinen Diesel auf 1900 Kilometer Strecke. Über die wenigen Wasserlöcher, die noch intakt sind, wacht meist giftiges Getier. Nicht selten liegen vor den Löchern leere Marmeladengläser mit Warnungen anderer Abenteurer: „Achtung Giftschlange“. Die Warnungen sollte jeder ernst nehmen, denn von den 20 giftigsten Schlangenarten der Welt, leben 17 Australien und die meisten davon wiederum in Westaustralien, allerdings zum größten Teil in der nördlichen Region.
Die Wüste lebt
Nach wie vor bevölkern Aboriginies das karge Land, versuchen wieder im Einklang mit der Natur zu leben und sich gleichzeitig dem modernen Leben nicht zu verschließen. Einige Communities säumen die Strecke und geben nach vorheriger Genehmigung Einblick in ihre Kultur und Lebensweise. Sehr erfolgreich über die Landesgrenzen hinaus ist beispielsweise die gemeinnützige Künstlergesellschaft Warlayirti Artists Aboriginal Corporation mit über 500 angeschlossenen Künstlern.
Auch die Tiere halten sich wacker. Emus, die allgegenwärtigen Kängurus und die weltweit größte freilebende Population an Kamelen bevölkern u. a. das Gebiet. Apropos Kamele: Eine Australierin ist sicher vielen ihrer Landsleute bekannt. Robyn Davidson durchquerte 1970 mit vier Kamelen und ihrem Hund Australien, „wanderte“ dabei auch ein Stück auf der Canning Stock Route. Ihre Reisebeschreibung markierte den Beginn ihrer Karriere als gefeierte Schriftstellerin und lenkte den Blick vieler Australier auf die Schönheiten im Innern des Kontinents. So schreibt Robyn Davidson in ihrem Buch „Eine Reise durch Australien“ über die Gegend um die CSR: „Schließlich erreichte ich das Ende des Hügels und ging über hohe Sanddünen. Als ich die letzte erklettert hatte, lag vor mir eine unendlich weite Senke im pastellblauen Dunst. Darin schwammen und schimmerten bizarre Hügel, an deren Fuß feuerfarbene Dünen züngelten. In der Ferne erhoben sich magische violette Berge. Wer hat es schon einmal gehört, dass Berge brüllen und rufen? Diese hier taten es – sie brüllten wie riesige Löwen. Es war ein Ton, der nur für die Ohren von Wahnsinnigen und Tauben bestimmt sein konnte. Der Anblick lähmte mich. Selbst in meinen Träumen hatte ich eine solch wilde, schöne Landschaft noch nie gesehen.“
Übrigens soll es Nachahmerinnen geben. So berichtete ein Reisender in seinem Blog auf der CSR eine auf einem Kamel reitende Frau gesehen zu haben.
Ingo Paszkowsky
Titelfoto: Otto Tours
Tour-Guide Otto Schächtele erzählt im Interview mit WeltReisender.Net über die Faszination und die Herausforderungen der Canning Stock Route. Sieh unser Video auf Youtube
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