Das Ziel ist in Deutschland und Europa gesetzt. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird die Klimaneutralität in Wirtschaft und Gesellschaft angestrebt. Dänemark will sogar schon bis 2030 Inlandsflüge grün machen, meldet Spiegel Online. Der European Green Deal braucht in der Luftfahrt ein umfassendes Engagement in Forschung und Entwicklung. Dazu legt das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) nun eine neue Luftfahrtstrategie vor, die den Forschungsweg zum emissionsfreien Fliegen zeichnet. Das Ziel sind hocheffiziente klimafreundliche Flugzeuge. Diese sollen passend zu Reichweite und Größe mit klimafreundlichen Antriebskonzepten und nachhaltigen Brennstoffen abheben. Das DLR positioniert sich dabei mit seinen ganzheitlichen Forschungskompetenzen als virtueller Hersteller (Virtual OEM) für eine beschleunigte Energiewende in der Luftfahrt. Neue Technologien sollen die Emissionen der Luftfahrt zukünftig immer weiter senken und vom prognostizierten Wachstum entkoppeln.
„Die Vision des DLR ist eine emissionsfreie Luftfahrt. Der Weg dorthin erfordert einen disruptiven Ansatz und neue Technologien. In unserer neuen Luftfahrtstrategie betrachten wir das Flugzeug und den Luftverkehr als Gesamtsystem. Auf dem Weg zum klimaverträglichen Luftverkehr besteht ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf “, erklärt Prof. Anke Kaysser-Pyzalla, die DLR-Vorstandsvorsitzende. „Das DLR arbeitet weiter an seiner Systemkompetenz in der Luftfahrtforschung. Wir sehen uns damit in der Funktion eines Architekten. Von den Grundlagen bis hin zur Anwendung in enger Abstimmung und in Kooperation mit der Luftverkehrsindustrie und -wirtschaft.“
„Der Energiebedarf kommender Flugzeuge muss bis zum Jahr 2050 auf mindestens die Hälfte verringert werden. Dafür notwendig sind Technologien zur Reduktion des aerodynamischen Widerstands und des Gesamtgewichts gemeinsam mit innovativer Flugregelung und Sensorik“, erklärt Dr. Markus Fischer, Bereichsvorstand Luftfahrt im DLR. „Neben neuen Flugzeugkonfigurationen benötigen wir einen intelligenten Mix alternativer Antriebskonzepte. Klein- und Regionalflugzeuge können zukünftig batterie- und hybridelektrisch abheben, Kurz-bis Mittelstreckenflugzeuge mit Wasserstoff unterwegs sein und bis hin zur Langstrecke kommen nachhaltige Brennstoffe in Verbindung mit hocheffizienten Turbinen zum Einsatz. Klimaoptimierte Flugrouten bieten für alle Flugzeuge eine wichtige Einsparperspektive.“
Die neue Luftfahrtstrategie des DLR legt dar, welche Entwicklungsherausforderungen auf dem Weg zum klimaverträglichen Fliegen zu meistern sind. Dabei zeigt sich insbesondere bei der Frage alternativer Antriebe, dass nicht eine Innovation für alle Luftfahrtbereiche greift. Zeitlich und mit der Größe der Luftfahrzeuge versetzt sind verschiedene Kombinationen aus Antriebstechnologie und Energieträger vielversprechende Lösungen. Daraus ergibt sich ein breites Spektrum nötiger Forschungsanstrengungen für neue emissionsarme Luftfahrtantriebe, die gemeinsam alle Strecken abdecken:
Turboantriebe mit nachhaltigen Brennstoffen bis zur Langstrecke
Auf den Kurz- bis Langstrecken ermöglichen hocheffiziente Turbofan-Triebwerke gemeinsam mit regenerativ erzeugtem Kerosin einen weitgehend klimaneutralen Betrieb. Möglich ist das für die gesamte bestehende Flotte mit nur minimalen technischen Modifikationen der Triebwerke und der vorhandenen Infrastruktur. Die sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAFs) senken den CO2-Fußabdruck deutlich und reduzieren zusätzlich die Klimawirkung von Kondensstreifen. Umfängliche Versuchsflüge, Sicherheitsnachweise und breite nachhaltige Produktionskapazitäten sind für den zukünftigen SAF-Einsatz nötig.
Antriebe mit Wasserstoff-Direktverbrennung bis zur Mittelstrecke
Wasserstoff kann die lokalen CO2-Emissionen im Luftverkehr auf null reduzieren. Für Wasserstoffantriebe stellen Volumen und Gewicht sowie Integration und Sicherheit eine besondere Herausforderung dar. Mittelfristig ist der Einsatz von Wasserstoff besonders für Flugzeuge im Regional- und Kurzstreckenbereich geeignet. Die Erforschung einer sicheren und zuverlässigen Wasserstoffverbrennung sowie des Umgangs mit dem Energieträger soll in den nächsten fünf Jahren die kommerzielle Anwendbarkeit in Flugzeugen vorbereiten.
Hybrid-elektrische Antriebe mit Brennstoffzellen im Regionalverkehr
Trotz ihrer sehr hohen Wirkungsgrade sind sowohl Batterien als auch Brennstoffzellen auf absehbare Zeit nur für Kleinflugzeuge und Regionalflugzeuge geeignet. Notwendig ist die Erforschung von Hochleistungs-Elektromotoren, Batterien und Brennstoffzellen. Dann kann in den nächsten fünf Jahren über eine mittelfristige Anwendung in Verkehrsflugzeugen entschieden werden.
Weitere zentrale Forschungsschwerpunkte
Technische Entwicklungen sind in der Luftfahrt in ein komplexes Gesamtsystem vom Flugzeugentwurf, über Produktion, Betrieb am Boden und in der Luft bis hin zur Wartung eingebunden. Dabei ist die Kompetenz für das Gesamtsystems Luftfahrt entscheidend. Hier agiert das DLR mit seiner Gesamtsystemfähigkeit in der Luftfahrtforschung als Architekt und Integrator.
Energieeffizientes Flugzeug
Ziel des energieeffizienten Flugzeugs ist die Reduktion des Energiebedarfs bis 2050 um bis zu 50 Prozent. Dies kann nach aktuellen Erkenntnissen über eine Reduktion des aerodynamischen Nullwiderstands um 40 Prozent, eine Reduktion des Gesamtgewichts um 10 Prozent und eine Steigerung der Flügelstreckung auf bis zu 15 erreicht werden. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Verknüpfung aller Einzeltechnologien im Flugzeugentwurf dar.
Emissionsreduziertes Lufttransportsystem
Klimawirkungsoptimierte Flugtrajektorien eine deutliche Reduktion des Anteils der Luftfahrt an der Klimaerwärmung (CO2- und Nicht-CO2-Effekte). Ein leistungsfähiges und emissionsreduziertes Lufttransportsystem integriert neuartige Flugzeugkonfigurationen und kann durch klimaoptimierte Routenführung mehr als 30 Prozent der Klimawirkung über die Minimierung der Nicht-CO2-Effekte reduzieren. Sie machen etwa zwei Drittel der Klimawirkung des Luftverkehrs aus. Optimierte Lang- und Mittelstreckenflüge können insbesondere die Klimawirkung von Kondensstreifen stark reduzieren. Hier liegt das größte Potenzial, besonders schnell die Klimawirkung des Flugverkehrs zu senken. Neben politischen Rahmenbedingungen und der Einführung technischer Neuerungen bedarf es hierzu einer erhöhten Automatisierung und Standardisierung im Flugzeug, im Luftverkehrsmanagement und in der Flugführung.
Digitalisierung
Durch Virtualisierung der Entwicklung und der Zulassung kann die Innovationsgeschwindigkeit um den Faktor zwei beschleunigt und eine schnellere Marktverfügbarkeit neuer Technologien ermöglicht werden. Die durchgängige Digitalisierung von Entwurf, Produktion und Betrieb ermöglicht die signifikante Reduzierung von Entwicklungskosten und -risiken sowie die Optimierung des Gesamtsystems Luftfahrt bezüglich seiner Klimawirkung und Wirtschaftlichkeit. Als virtueller Hersteller (Virtual OEM), kann das DLR zukünftige Produkte auslegen und verfügbar machen.
DLR-Luftfahrtforschung: Ganzheitliche Kompetenz
Weltweit ist das DLR eine von wenigen Forschungseinrichtung, die gleichzeitig Flugzeuge mit neuen Antriebsarten ausstatten, deren Emissionen erfassen und die resultierenden Klimaauswirkungen modellieren kann. Das DLR verfügt mit seinen 55 Forschungsinstituten über alle Kompetenzen, um im Rahmen der programmatischen Forschung digitale Entwicklungsprozesse mit vielen eigenständigen Partnern ganzheitlich voranzutreiben. Insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit den Schwerpunkten Luftfahrt, Raumfahrt sowie Energie und Verkehr ist in Europa einzigartig und Voraussetzung für die Gestaltung einer emissionsfreien Luftfahrt der Zukunft.
In Europa ist das DLR die einzige Forschungseinrichtung, die nachhaltige Luftfahrtbrennstoffe zusammen mit der Brennkammer abgestimmt weiterentwickelt, produziert und experimentell erprobt sowie Know-How aus Antriebstechnik, Regelungstechnik und Elektrotechnik unter Realbedingungen bis hin zum Flugversuch erprobt. Das DLR weist alle notwendigen Forschungs- und Entwicklungskompetenzen für die erforderlichen energieeffizienten Luftfahrttechnologien auf. Fertigungseinrichtungen im Industriemaßstab, Prüfstände, Windkanäle und Forschungsflugzeuge sowie validierte digitale Modelle können mit umfangreicher Forschungserfahrung aus einer Hand eingesetzt werden. Infrastruktur und Kompetenz für die Weiterentwicklung des klimafreundlichen Luftverkehrsmanagements runden das Portfolio ab. Insgesamt besitzt das DLR die Fähigkeiten und die Werkzeuge, um Systemarchitekturen in der Luftfahrt bis zu einem industriellen Technologiereifegrad zu entwickeln.
Im vergangenen Jahr hatte das DLR im Vorfeld der nun veröffentlichten neuen Luftfahrtstrategie bereits gemeinsam mit dem BDLI das Whitepaper ZERO EMISSION AVIATION veröffentlicht. Die neue Luftfahrtstrategie konkretisiert nun die technischen Möglichkeiten und benennt die dazu nötigen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen.
Quelle: DLR
Titelfoto / Regionalflugzeugkonzept mit Brennstoffzellen. Das Konzept Fuel Cell Electric Regional Aircraft “D70FC10” mit 10 Brennstoffzellen und Antriebseinheiten in den „Pods“ unter den Flügeln zu sehen, welches für 70 Passagiere ausgelegt ist. Die Versorgung mit Wasserstoff erfolgt zentral über zwei Wasserstofftanks im Rumpfheck. Die Reichweite des Flugzeugs beträgt knapp 2000 Kilometer. / Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)
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