Richard Wagner war fasziniert vom Elbsandsteingebirge. Der inspirierenden Kraft der mystischen Felsenwelt beiderseits der Deutsch-Tschechischen Grenze verdankt er einige seiner glücklichsten Ideen, teilt der Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V. mit. Zum 200. Geburtstag des großen Musikdramatikers lädt die Region zum Wandeln und Wandern auf seinen Spuren.
„Gott sei Lob, ich bin wieder auf dem Lande, drei Stunden von Dresden in der reizendsten Gegend von der Sächsischen Schweiz, und fange wieder an, als Mensch und Künstler aufzuatmen.“ Das schreibt Richard Wagner im Mai 1846 einem Freund in Berlin. Wagner befindet sich zu diesem Zeitpunkt in Gross-Graupe, heute Graupa, am Rande der Sächsischen Schweiz. Gemeinsam mit seiner Frau Minna verbringt er auf dem Gehöft des Bauern Schäfer einen lang ersehnten Urlaub, eine elfwöchige Auszeit von seinem aufreibenden Amt als Kapellmeister an der Dresdner Hofoper.
„Zu meiner Erholung von allen überstandenen Mühseligkeiten und Bekümmerungen hatte ich mir […] einen dreimonatlichen Urlaub ausgewirkt, um in ländlicher Zurückgezogenheit sowohl mich erholen, als reinen Athem zum Beginn einer neuen Arbeit schöpfen zu können“, schreibt er später in seinen Memoiren.
Immer wieder streift der junge Kapellmeister von Graupa aus auf langen Spaziergängen durch die idyllische Umgebung. Einziger Begleiter ist Zwergspaniel Peps. Wagner wandert auf den nahegelegenen Borsberg, in den Liebethaler Grund und auch zur Bastei, der damals schon berühmtesten Felsformation der Sächsischen Schweiz.
„Die liebste Erinnerung aus meinem ganzen Jugendleben“
Es war nicht der erste Ferien-Aufenhalt des Komponisten in der Region. Bereits zehn Jahre zuvor verbrachte der damals 24-jährige hier einige „heitere, vom unschuldigsten jugendlichen Übermuth erfüllte Tage“ mit seiner späteren Frau Minna und ihrer Schwester. Insbesondere sei ihm „eine beim schönsten Sommerwetter fast gänzlich durchwachte anmuthige Nacht in Bad zu Schandau, die liebste, fast einzige Erinnerung an heiter beglücktes Dasein aus meinem ganzen Jugendleben.“
Für Wagnerverehrer ist es heute ein besonderes Erlebnis,so der Tourismusverband, die Wege des Meisters zu gehen und die dramatische Landschaft zu entdecken, die ihn einst so tief bewegt hat. Wer das Elbsandsteingebirge kennt, versteht nicht nur Wagnersche Ästhetik, sondern auch die Sensibilität einer ganzen Epoche besser. Dunkle Schluchten, bizarre Felsnadeln, dichte Märchenwälder, Sonnenaufgänge über Morgennebel – Wagner machte das alles zu Klang.
Ältestes Wagnermuseum und größtes Wagnerdenkmal der Welt
Zu Wagners Zeit war die aus Sächsischer und Böhmischer Schweiz bestehende Region bereits ein beliebtes Studienziel und Quell der Inspiration. Die Wolfsschluchtszene aus Carl Maria von Webers „Freischütz“ wurde in der Region erdacht. Caspar David Friedrich widmete der Landschaft sein berühmtes Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“. Maler, Literaten, Musiker aus halb Europa kamen, um der Naturschönheit zu huldigen, um das Erhabene und das Schöne pittoresk vereint zu sehen.
Wagners einstige Ferienwohnung in Graupa ist heute das älteste Wagnermuseum der Welt. Im nahegelegenen Jagdschloss wurde soeben eine multimediale Ausstellung zum Thema „Richard Wagner in Sachsen“ eröffnet. Im dazugehörigen Schlosspark findet man einen Richard-Wagner-Wanderweg mit Informationstafeln zu seinem Leben.
Die Wanderwege und Aussichten in der Region, die Wagner und viele andere Künstler der Romantik einst besonders liebten, wurden 2006 zu einem etwa 112 Kilometer langen Etappenwanderweg verbunden. Der so entstandene „Malerweg Elbsandsteingebirge“ ist seitdem das Flaggschiff unter den sächsischen Wanderwegen. Bereits 2007 wurde er zum „Schönsten Wanderweg Deutschlands“ gekürt. Vom Wagnerort Graupa führt die Route auf rechtselbischer Seite durch den Liebethaler Grund, vorbei am größten Wagnerdenkmal überhaupt, weiter durch die zauberhaftesten Ecken der Region, bis an die tschechische Grenze und auf der anderen Elbseite zurück in die Canalettostadt Pirna. Fast alles, was man in der Sächsischen Schweiz gesehen haben muss, streift man dabei.
„Mein altes Wunderland Böhmen“
Auch wenn der Malerweg heute an der Grenze kehrt macht. Wagners Begeisterung für die Landschaft endete hier nicht. Schon seit seiner Jugend zog es ihn immer wieder in sein „altes Wunderland Böhmen“, wie er es liebevoll nannte. Der Künstler begeisterte sich für slawisches Brauchtum und slawische Sprache. Für die katholische Frömmigkeit, die durch die unzähligen Kreuze und Kapellen zum Ausdruck kommt, die umherziehenden Wanderharfner sowie für die vulkanisch geprägte Landschaft des Böhmischen Mittelgebirges. Insbesondere im Dreieck Teplitz – Prag – Marienbad hielt er sich immer wieder auf. „Ach, dieses Teplitz mit seiner weiten Umgebung, das ist wohl das schönste, was ich kenne“, schrieb Wagner seiner Halbschwester Cäcilie. Auch die Burg Schreckenstein (heute Střekov) bei Aussig (heute ÚstÍ) faszinierte ihn.
Ein Fußmarsch 1827 von Dresden über Teplitz und Aussig nach Prag war sein erstes großes Wanderabenteuer. Seine erste Liebe, die schöne Grafentocher Jenny, fand der junge Wagner in Böhmen. Die Libretti für „Die Hochzeit“, „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ schrieb er zu verschiedenen Zeiten hier. Und auch die Ideen für das „Liebesverbot“ und später die „Meistersinger von Nürnberg“ hatte er in seinem Wunderland.
Regelrechte Wagner-Pilgerorte und -wege, wie in Sachsen, findet man auf böhmischer Seite nicht. So bleibt hier nur die Erkundung auf eigene Faust – und Graupa als erste und wichtigste Anlaufstelle für wandernde Wagnerianer. Insbesondere im Wagnerjahr 2013, wenn hier der 200. Geburtstages des großen Romantikers mit zahlreichen hochkarätigen Veranstaltungen gefeiert wird.
Informationen zum Wandern auf dem Malerweg sowie zu passenden Unterkünften und Pauschalen findet man auf www.malerweg.de. Deutschsprachige Wander- und Urlaubsinformationen für den böhmischen Teil des Elbsandsteingebirges hält die Website der Gemeinnützigen Gesellschaft Böhmische Schweiz unter www.ceskesvycarsko.cz/de bereit.
Über den Malerweg Elbsandsteingebirge:
Der Malerweg Elbsandsteingebirge ist eine der beliebtesten und traditionsreichsten Wanderrouten Deutschlands. Schon die Künstler der Romantik haben entscheidend zur überregionalen Popularität der eigentümlichen Felsenwelt unweit von Dresden beigetragen. Dank ihrer Gemälde und Zeichnungen weiß man heute, welche Wege sie gegangen sind und welche Aussichten sie besonders beeindruckten. So konnte im Jahr 2006 auf insgesamt 112 Kilometern ein historischer Wegeverlauf entlang der schönsten Punkte in der Region rekonstruiert und neu ausgeschildert werden. Bereits kurz nach seiner Eröffnung wurde der Malerweg vom Wandermagazin zum schönsten Wanderweg Deutschlands gekürt. Die Rundtour von Pirna-Liebethal bis zur tschechischen Grenze und auf der anderen Elbseite zurück bis nach Pirna bietet nicht nur atemberaubende Panoramen, sondern ist auch eine sportliche Herausforderung: In acht mittelschweren bis anspruchsvollen Tagesetappen mit Längen zwischen elf und 18 Kilometern bezwingt man – alle Höhenmeter zusammengenommen – immerhin einen Viertausender.
Titelfoto / Basteibrücke im Winter. / Foto: Tourismusverband Sächsische Schweiz / Frank Exß
Auch interessant:
- Top-Wanderrouten durch die Bretagne
- Schweden: Wanderweg über 22 Stockholmer Schäreninseln
- Tahiti im Überblick: Fast Facts – ein Steckbrief
- Geheimtipp: Trekking um den Manaslu in Nepal
- Backpacking auf Bali – die interessantesten Aktivitäten in Canggu
- Atemberaubende Bergkulissen auf Schweizer Höhenwanderwegen
- Mit dem Wolfsflüsterer im Pfälzerwald unterwegs