Wo Kühe mit Blumenkronen geschmückt und Lämmer zu Tal getragen werden, ist die Welt noch in Ordnung. Die Beziehung der Bergbauern zu ihren Tieren ist eine lange, spannende Geschichte – und ein unfallfreier Sommer auf der Alm keine Selbstverständlichkeit. Nicht nur deshalb gelten die Alpabzüge im September als Höhepunkte des ländlichen Brauchtum-Kalenders in Bayern, Österreich, der Schweiz und Südtirol.
Vinschgau: Mäh statt Muh!
Manche von ihnen sind noch so klein, dass sie einen Extra-Transportservice bekommen – die Lämmer und Schafe beim traditionellen Almabtrieb in Langtaufers im Vinschgau. Bis zu 1.700 Tiere auf einmal werden im Rahmen der so genannten „Schofschoad“ in das ursprüngliche Tal in Südtirols äußerstem Nordwesten getrieben. Traditionell am 7. September machen sich die Bauern auf den weiten Weg zu den saftig-grünen Sommeralmen. Das Weidegebiet der weichen, weißen Woll-Lieferanten erstreckt sich vom österreichischen Kaunertal bis zum Weißkugel-Gletscher zwischen Tirol und Südtirol. Gemeinsam mit zahlreichen Hilfs-Hirten geht es über die Langtauferer Berge bis nach Melag. Am so genannten Pferch „Gangl“ endet die Reise ins Winterquartier fürs Erste: Hier sammeln die Besitzer ihre Tiere, mit verschiedenen Farben gekennzeichnet, ein und bringen sie nach Hause in den Stall. Der Begriff „Schoad“ bedeutet entsprechend auf Hochdeutsch „scheiden“ – die Schafe werden also aus der Herde wieder ihrem Bauern zugeteilt. Bei dem fröhlichen Spektakel sind Gäste herzlich willkommen – denn der meist reibungslose Ablauf der Langtauferer „Schafschoad“ wird anschließend gebührend gefeiert: bei Schöpsernem (Schafbraten), Rotwein und zünftiger Südtiroler Volksmusik bis in die späte Nacht.
www.vinschgau.net
Engelberg: Wo die Kühe „Grüezi“ sagen
Am 28. September verwandeln sich die Hänge rund um Engelberg und den 3.238 Meter hohen Titlis-Gletscher in läutende Laufstege. Die Models heißen Zenzi, Alma, Rosa oder Liesl, wiegen um die 500 Kilo und präsentieren ihre neuesten Natur-Kollektionen. Für den Alpabzug ins Klosterdorf Engelberg verzieren die Bauern ihre Kühe mit blumigen Kronen, riesigen Glocken, der Schweizer Nationalflagge und buntem Zaumzeug – ein Zeichen, dass auch in diesem Bergsommer auf der Alp alles reibungslos und unfallfrei ablief. Mit den ersten muhenden Schönheiten ist an diesem Alpabzug-Samstag gegen 12 Uhr zu rechnen. Dann zeigen sie sich Einheimischen und Gästen in ihrer ganzen Schönheit beim Viktoriagärtli. Gefeiert wird der tierische Catwalk von 10 bis 17 Uhr mit Musik, Festlichkeiten und einem Saisonmarkt, der einheimische Produkte anbietet.
www.engelberg.ch
Tannheimer Tal: In exotischer Gesellschaft
Beim Almabtrieb in Tannheim stolzieren nicht nur prinzessinnenhaft geschmückte Kühe durch die Straßen des Tiroler Ferienortes, auch Lamas schreiten durch das Tal. Die Vierbeiner verschiedener Gattungen haben den Sommer friedlich nebeneinander grasend auf den Bergwiesen um die Traualpe verbracht und kehren am 21. September zusammen mit rund 700 Tieren von anderen Almen in ihre heimischen Ställe zurück. Dieser Almabtrieb ist nur einer von insgesamt fünf, die im September in der Ferienregion Tannheimer Tal stattfinden. Mehr tierische Flower Power gibt´s zu sehen am 14.9. in Jungholz und Schattwald, am 15.9. in Nesselwängle und am 20.9. in Haldensee.
www.tannheimertal.com
Oy-Mittelberg: Muhsical im Allgäu
Durch den beschaulichen, rund 400-Seelen-Ort Haslach in der Gemeinde Oy-Mittelberg kehren am 21. September knapp 100 Jungtiere von der Alpe Haslach in ihren heimischen Stall zurück. Das sind, auf die Größe des Dorfs bemessen, überdurchschnittlich viele Rinder, die mit sanftem Glockengebimmel ihre Zeit im Winterquartier einläuten – und ein besonders eindrucksvolles „Muhsical“ geben. Wer sein frisches Glas Milch lieber ganz in Ruhe trinkt, kann dies auf der Panoramaterrasse der „Mittelburg“. Das 4-Sterne-Hotel liegt unweit vom Ort des Geschehens und serviert hausgemachte Kuchen und regionale Köstlichkeiten mit freiem Blick in die Allgäuer Berge.
www.mittelburg.de
Tauferer Ahrntal: Privat-Almabtrieb, klein und fein
So nah dran können Urlauber selten sein, wenn am ersten Samstag im Oktober die Bauersfamilie vom „Winklerhof“, Mitglied der Marke „Roter Hahn“, im abgeschiedenen Tauferer Ahrntal ihre 25 bis 30 Kühe ins Winterquartier treibt. Die Region im äußersten Nordosten Südtirols auf der Sonnenseite der Zillertaler Alpen ist beinah noch so ursprünglich wie vor 100 Jahren – der „Winklerhof“ selbst wurde 1630 das erste Mal urkundlich erwähnt und ist seitdem in Familienbesitz. Bauer Hubert Weger feiert den erfolgreichen Saison-Abschluss und die gesunde Rückkehr der Tiere stets gemeinsam mit seinen Hausgästen, die sich auf Wunsch auch gern aktiv am Geschehen beteiligen dürfen: Gleich am frühen Morgen marschieren alle auf die 2.200 Meter hoch gelegene Alm. Nach dem Säubern der Kühe wird die Hütte winterfest gemacht, anschließend gibt es eine stärkende Marende für den Abstieg. Sobald die Kühe geschmückt und mit Glocken behängt sind, zieht die Karawane mit lautem Läuten nach Hause in den Stall. Bei hausgemachten Krapfen, Topfennudeln, Graukäse, Südtiroler Wein und Musik lässt die Bauersfamilie gemeinsam mit den Gästen den Almabtrieb ausklingen.
www.roterhahn.it
Titelfoto / Kühe der traditionellen Grauviehrasse prägen in Südtirol das Landschaftsbild wie eh und je. Im Sommer werden sie auf die Almen getrieben. Im Herbst geht es wieder abwärts. / Foto: Südtirol Marketing Gesellschaft / Ralf Kreuels