Nach seinen Eröffnungsausstellungen zeigt das Museum Barberini bis 3. Oktober 2017 mit der Ausstellung Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne sein erstes internationales Kooperationsprojekt. Die Phillips Collection in Washington, D. C., schickt dafür erstmals 68 Werke der frühen amerikanischen Moderne nach Deutschland.
Die Klassiker der nordamerikanischen Moderne sind in Europa nur selten zu sehen: Edward Hopper (1882–1967), Georgia O’Keeffe (1887–1986), Milton Avery (1885–1965), Richard Diebenkorn (1922–1993) oder Helen Frankenthaler (1928–2011).
Die Ausstellung präsentiert die Entwicklung der nordamerikanischen Malerei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie zeigt die drei zentralen Themen Landschaft, Portrait und Stadt ebenso wie die sich parallel entwickelnde abstrakte Malerei. Acht Themenräume führen chronologisch durch Impressionismus, Neue Sachlichkeit und Farbfeldmalerei und zeigen, wie die amerikanische Kunst abstrakt wurde.
Wie die amerikanische Kunst abstrakt wurde
Die Erschließung der Wildnis, die Vermessung des Landes und die Unterschutzstellung der Naturwunder in den Nationalparks motivierten die erste amerikanische Landschaftsmalerei. Unter dem Einfluss des europäischen Impressionismus wurden die heroischen und religiösen Aufladungen dieser frühen Gemälde durch die individuelle Beobachtung von Lichtstimmungen und atmosphärischen Erscheinungen der Natur abgelöst. Der epochale Wechsel vom ländlich-agrarischen zum städtisch-industriellen Amerika ließ den Städten an der Ostküste eine immer größere Bedeutung zukommen. Künstlerisch wurde dieser Prozess vom Übergang zur Figurenmalerei charakterisiert, doch die Landschaft behielt ihre Bedeutung und wurde für viele Künstler Ausgangspunkt abstrakter Kompositionen.
Die Produktionskraft und der architektonische Wandel der Städte regte Maler wie Charles Sheeler (1883–1965) und Ralston Crawford (1906–1978) zu Bildern des Präzisionismus, der amerikanischen Spielart der Neuen Sachlichkeit, an, die den Zukunftsoptimismus der Wirtschaft aufgriffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die Abstraktion den Künstlern die Basis für einen moralisch-philosophisch aufgefassten Neuanfang.
Die Farbe gewann im Abstrakten Expressionismus ein Eigenleben, das dem europäischen Expressionismus fremd war. Es entstanden Farbräume, in die der Betrachter eintauchen kann. Die Künstler verstanden ihre Bilder als Felder, die auch über die Bildgrenzen hinaus fortsetzbar sind. In diesen Feldern ist jeder Punkt von gleicher Wichtigkeit, jeder Punkt ermöglicht den Einstieg in das Bild. Die Bilder sind unüberschaubar, sie sind nicht auf einen Blick zu erfassen und nicht zu vereinnahmen, so die Hoffnung der Maler. Die Kunst sollte die Erlebnis- und Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen stärken.
Der Sammler Duncan Phillips
Der Kunstkritiker und Mäzen Duncan Phillips (1886–1966), Gründer der Phillips Collection in Washington, D. C., begleitete und förderte moderne amerikanische Künstler, insbesondere zwischen den Weltkriegen. Mit seiner Sammlertätigkeit prägte er den Kanon der amerikanischen Kunstgeschichte. Der frühe Tod seines Vaters und der seines Bruders veranlassten ihn, die familiäre Sammlung zum Ausgangspunkt eines ihnen gewidmeten Museums zu machen, das der modernen nordamerikanischen Kunst galt. 1921 eröffnet, ging die Phillips Collection den Gründungen des Museum of Modern Art (1929) und des Whitney Museum of American Art in New York (1931) voraus. Phillips’ Auffassung, die Kunst als Universalsprache zu betrachten, die über nationale Schulen und Epochen erhaben sei, ist bis heute eine Inspiration. Dieses Bekenntnis zu individuellen künstlerischen Positionen ist nach wie vor wichtig.
Phillips betrachtete Kunst als „universale Sprache, die jeder chronologischen und nationalen Einordnung trotzt“. Mit Honoré Daumier (1808–1879) und Pierre-Auguste Renoir (1841– 1919) sammelte er französische Malerei des 19. Jahrhunderts ebenso wie Werke der französischen Malerei des 20. Jahrhunderts, so z.B. Pierre Bonnard (1867–1947).
In der Zeit zwischen den Kriegen, als konservative Kreise in den Vereinigten Staaten die abstrakte, unabhängige und von europäischer Avantgarde beeinflusste Kunst missbilligten, setzte Phillips sich für solche amerikanische Kunst ein. Das Verbindende war das Entstehen der Moderne in Amerika. Seit Gründung der Phillips Collection gehört dies zu ihrem Selbstverständnis.
Wie Duncan Phillips sammelt auch Museumsgründer Hasso Plattner die französischen Impressionisten ebenso wie zeitgenössische amerikanische Malerei. So begegnen sich in der Kooperation der bedeutenden historischen Privatsammlung mit dem Museum Barberini auch zwei verwandte Partner.
Lesen Sie hier auch unseren Beitrag Museum Barberini: Potsdams neues Kunstmuseum präsentiert Künstler und Epochen.
Preise & Besuchszeiten
- Montag und Mittwoch bis Sonntag 10 bis 19 Uhr
- jeder erste Donnerstag im Monat 10 bis 21 Uhr
- Dienstag geschlossen
- Montag bis Freitag (außer Dienstag) für Kindergärten und Schulen nach Anmeldung 9–11 Uhr
- Eintritt: € 14 / ermäßigt € 10 / Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren frei
- Jahreskarte Einzelperson € 30 / Jahreskarte Paare € 50 /Young Friend (unter 35 Jahre) € 20
- Online-Zeitfenster-Tickets unter www.museum-barberini.com
Zur Ausstellung ist ein Katalog im Prestel Verlag erschienen, der 248 Seiten mit 200 Abbildungen umfasst und für € 29,95 im Museumsshop sowie für € 39,95 im Buchhandel erhältlich ist.
Die Essays gehen auf ein internationales Symposium zurück, das am 21. November 2016 im Museum Barberini stattfand. Zwei Hauptwerken der Phillips Collection sind eigene Beiträge gewidmet, die anderen erforschen die vielfältigen Beziehungen der amerikanischen Kunst zu Europa.
Anschrift:
Museum Barberini
Alter Markt
Humboldtstraße 5–6
14467 Potsdam
Das Museum ist mit öffentlichen Verkehsmitteln gut zu erreichen. Vom Hauptbahnhof Potsdam kann man den Bus oder auch die Tram nehmen oder einfach 10 Minuten laufen und dabei die Aussicht genießen.
Besucherservice:
T +49 331 236014-499
besucherservice@museum-barberini.com
Daten und Fakten zur Ausstellung
Anzahl der ausgestellten Werke:
68 Werke aus der Phillips Collection, Washington, D. C.
Themenräume
Gründerjahre. Portrait und Landschaft im Gilded Age
Urgewalten. Natur als Ausgangspunkt der Moderne
Abstraktion. Avantgarde zwischen den Kriegen
Modern Life. Menschenbilder in der Stadt
Abstraktion in den USA. Von 1960 bis heute
Entgrenzung. Abstrakter Expressionismus als Kritik
Neue Sachlichkeit. Stadtlandschaft im Maschinenzeitalter
Figuration. Neuformulierung des Realen
Farbe und Raum. Malerei in den sechziger Jahren
Dokumentation
Die Phillips Collection. Portrait einer Sammlung
Ausgestellte Künstler
Albers, Josef (1888–1976)
Avery, Milton (1885–1965)
Bellows, George (1882–1925)
Bischoff, Elmer (1916–1991)
Bruce, Edward (1879–1943)
Calder, Alexander (1898–1976)
Crawford, Ralston (1906–1978)
Davies, Arthur B. (1862–1928)
Diebenkorn, Richard (1922–1993)
Dougherty, Paul (1877–1947)
Dove, Arthur (1880 –1946)
Eakins, Thomas (1844–1916)
Eilshemius, Louis Michael (1864–1941)
Francis, Sam (1923–1994)
Frankenthaler, Helen (1928–2011)
Glackens, William (1870–1938)
Gottlieb, Adolph (1903–1974)
Guston, Philip (1913–1980)
Hartley, Marsden (1877–1943)
Hassam, Childe (1859–1935)
Hirsch, Stefan (1899–1964)
Homer, Winslow (1836–1910)
Hopper, Edward (1882–1967)
Inness, George (1825–1894)
Kent, Rockwell (1882–1971)
Knaths, Karl (1891–1971)
Kuhn, Walt (1877–1949)
Lawson, Ernest (1873–1939)
Louis, Morris (1912–1962)
Marin, John (1870–1953)
Motherwell, Robert (1915–1991)
Noland, Kenneth (1924–2010)
Okada, Kenzo (1902–1982)
O’Keeffe, Georgia (1887–1986)
Ossorio, Alfonso (1916–1990)
Pène du Bois, Guy (1884–1958)
Pollock, Jackson (1912–1956)
Prendergast, Maurice (1858–1924)
Robinson, Theodore (1852–1896)
Rothko, Mark (1903–1970)
Ryder, Albert Pinkham (1847–1917)
Sheeler, Charles (1883–1965)
Sloan, John (1871–1951)
Stamos, Theodorus (1922–1997)
Still, Clyfford (1904–1980)
Tack, Augustus V. (1870–1949)
Tomlin, Bradley Walker (1899–1953)
Twachtman, John Henry (1853–1902)
Weir, Julian Alden (1852–1919)
Weston, Harold (1894–1972)
Kuratorin:
Dr. Susan Behrends Frank
Leihgeber:
The Phillips Collection, Washington, D. C.
Ausstellungsfläche:
1.132 Quadratmeter
Ausstellungsdesign:
Gunther Maria Kolck und BrücknerAping Büro für Gestaltung
Titelfoto / In der Ausstellung “Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne”, Museum Barberini /Photo: Helge Mundt