Covid-19 hat uns fest im Griff. Neue, ansteckendere Mutationen treten auf. Die Bundesregierung hat Sorge, dass ihr die Sitation entgleiten könnte. Bundesinnenminister Horst Seehofer will nun den Flugverkehr nach Deutschland massiv einschränken auf “nahezu Null”. Auch die Bundeskanzlerin ist dafür. Vorbild könnte Isreal sein. Das Land hat seinen internationalen Flughafen Ben Gurion ab dem 26. Januar bis zunächst 31. Januar 2021 für Ein- und Ausreisen geschlossen.
Im Sommer ist alles vorbei? Vermutlich nicht. Jedenfalls rechnet das Management des Flughafen Berlin Brandenburg nicht mit einer schnellen Erholung, sprich Verbesserung der Situation. Erst 2025 soll der Flugverkehr wieder das Vorkrisenniveau erreichen.
Das ist schon verrückte Verhälnisse, dachten doch viele vor nicht allzu langer Zeit, der neue Hauptstadtflughafen würde schon bei seiner verspäteten Fertigstellung für den wachsenden Flugverkehr nicht ausreichen. Nun herrscht gähnende Leere und der BER muss erneut seinen Business-Plan überdenken.
Die drastischen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Entwicklung des weltweiten Flugverkehrs und damit auch auf die wirtschaftliche Situation der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH sowie die Grundlagen für den Businessplan 2021 waren an am 25. Januar Themen des Aufsichtsrates. Die ursprünglich angesetzte zweitägige Strategiekonferenz wurde auf Grund der aktuellen Corona-Situation auf einen Tag verkürzt und fand als Videokonferenz statt.
Im Januar nur 10 Prozent des Vorjahresniveaus erreicht
Die Geschäftsführung berichtete dem Aufsichtsrat, dass das Passagieraufkommen aufgrund der weltweiten Pandemie weiter auf niedrigstem Niveau verharrt. Im Schnitt wurden am Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt in den ersten Januarwochen täglich rund 7.500 Fluggäste abgefertigt und damit nur rund zehn Prozent des Vorjahresniveaus erreicht.
Generell erwartet die Flughafengesellschaft ebenso wie alle anderen deutschen Flughäfen eine nur langsame Erholung des Flugverkehrs. Ihrer Einschätzung nach kann in diesem Jahr mit 10,7 Mio. Passagieren nur knapp ein Drittel des Aufkommens von 2019 erreicht werden. Viele Airlines haben ihre Flotten deutlich reduziert, Arbeitsplätze abgebaut und positionieren sich neu am Markt.
Generell führen Reisebeschränkungen zu erheblicher Planungsunsicherheit in der gesamten Luftfahrtbranche. Dies führt dazu, dass die mittel- und längerfristige Entwicklung derzeit nur grob abgeschätzt werden kann.
Drei mögliche Szenarien
Die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft stellte dem Aufsichtsrat deshalb drei mögliche Szenarien vor, wann das Vorkrisenniveau des Jahres 2019 mit 35,6 Millionen wieder erreicht werden kann.
Im besten Falle wäre das 2023 möglich, im schlechtesten Fall im Jahr 2027. Die Entwicklung hängt entscheidend davon ab, wann die Impfstoffe global und flächendeckend verfügbar sind, wann die Quarantänebestimmungen gelockert bzw. aufgehoben werden und wie schnell sich die Wirtschaft erholt.
Wie die Geschäftsführung dem Aufsichtsrat mitteilte, geht sie, als Grundlage für den Businessplan, von einem mittleren Szenario aus. Danach ist ein Erreichen des Vor-Corona-Niveaus im Jahr 2025 realistisch. Ab dann könnte es wieder zu einem Passagierwachstum von jährlich ein- bis zwei Prozent kommen.
Sollte diese Prognose zutreffen, würden in den Jahren 2021 bis 2025 insgesamt rund 83 Millionen Passagiere weniger als ursprünglich angenommen ab dem BER fliegen. Damit einher gehen erhebliche wirtschaftliche Verluste.
Die Geschäftsführung berichtete dem Aufsichtsrat außerdem ausführlich über geplante Einsparungen in den kommenden Jahren. Dazu gehört unter anderem das Zurückstellen von Investitionen zur baulichen Erweiterung des BER, eine strikte Ausgabenkontrolle und der Umbau der Personalstruktur. Sonderprojekte wie die temporäre Stilllegung des Terminal 5 oder die Aussetzung der Nutzung der südlichen Start- und Landebahn tragen ebenfalls erheblich zur Kostenreduktion bei.
Die geplanten Einsparungen werden in der Summe aber nicht ausreichen, um die coronabedingten Umsatzverluste aufzufangen. Deshalb ist die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH auf die erneute Unterstützung ihrer Gesellschafter und eine Teilentschuldung zur Erhaltung der Kapitalmarktfähigkeit angewiesen, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens.
Wie die Flugverkehr 2020 zurückging, zeigt auch die neueste Statistik des Statitischen Bundesamts (Destatis). Rund 57,8 Millionen Fluggäste starteten oder landeten im Jahr 2020 auf den 24 größten Verkehrsflughäfen in
Deutschland. Das waren das 74,5 % weniger als im Vorjahr. Dies ist der geringste Wert seit der deutschen Vereinigung (1991: rund 63 Millionen Fluggäste). Im Jahr 2019 wurde mit 226,7 Millionen Fluggästen noch ein Rekord bei den Passagierzahlen verzeichnet.
Passagierverkehr durch Corona-Pandemie stark eingeschränkt
Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie haben den Fluggastverkehr stark beeinträchtigt. Der Auslandsflugverkehr bewegte sich im Januar und Februar 2020 noch etwa auf dem Vorjahresniveau, wobei der Luftverkehr mit China im Februar bereits deutlich zurückging.
Der Inlandsflugverkehr lag schon vor den ersten größeren Corona-Einschränkungen deutlich unter den Vorjahreswerten (Januar -9 %; Februar -15 %). Die Zahlen der Fluggäste im In- und Auslandsverkehr gingen im März im Vergleich zum Vorjahresmonat stark zurück (-62 %). Der Flugverkehr kam im April (-99 %), Mai (-98 %) und Juni (-94 %) fast völlig zum Erliegen. Von Juli bis September 2020 folgte eine Konsolidierung der Passagierzahlen auf niedrigem Niveau (-79 %), bevor sie wieder schrittweise abnahmen. Für das 4. Quartal 2020 ist ein Rückgang um 87 % zu verzeichnen.
Der Auslandsflugverkehr ging im Jahr 2020 insgesamt um 75 % zurück. Davon waren alle Reiseregionen ähnlich stark betroffen: Während die Zahl der Fluggäste im Europaverkehr um 74 % zurückging, waren es im Interkontinentalverkehr -77 %. Insbesondere der Flugverkehr mit den wichtigen Zielländern USA (-80 %) und China (-88 %) brach überdurchschnittlich ein.
Der Inlandsflugverkehr ist im Jahr 2020 insgesamt ebenfalls um 75 % gesunken.
Luftfrachtverkehr wurde von der Corona-Pandemie weniger stark getroffen
Die Beförderungsmenge an Luftfracht (einschließlich Luftpost) ging nach einem bereits schwachen Jahr 2019 auch im Gesamtjahr 2020 spürbar zurück, wurde von der Corona-Pandemie aber deutlich weniger stark getroffen als der Passagierverkehr. An den deutschen Hauptverkehrsflughäfen wurden insgesamt 4,5 Millionen Tonnen Luftfracht transportiert (-4,1 % im Vergleich zu 2019).
Obwohl durch den Wegfall der Passagierflüge Beiladekapazität nur noch in sehr geringem Umfang zur Verfügung stand, erholte sich der Luftfrachtverkehr in der zweiten Jahreshälfte. In den letzten vier Monaten des Jahres 2020 lag er jeweils über dem Vorjahresniveau.
Methodischer Hinweis:
Bei den betrachteten Fluggastzahlen werden im Auslandsverkehr ein- und aussteigende Fluggäste betrachtet. Im Inlandsverkehr werden ausschließlich abfliegende Fluggäste berücksichtigt, um Doppelzählungen zu vermeiden. Der Transitverkehr ist nicht enthalten. Entsprechend sind auch die Daten des Fracht- und Postverkehrs aufbereitet.
Die Statistik erfasst den Flugverkehr an den Hauptverkehrsflughäfen in Deutschland mit mehr als 150 000 Fluggästen im Jahr.
Titelfoto / Der neue Airport der Hauptstadtregion erwartet seine Fluggäste / Foto: Ingo Paszkowsky
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