Berlin – Sie wird häufig gescholten, die EU-Kommission. Vieles, was in Brüssel erdacht wird, scheint bürokratisch und realitätsfremd. Aber es gibt auch Gutes, was in Brüssel beschlossen wird: Vom 1. Juli an werden dank der EU-Roamingverordnung die Preisobergrenzen für das Herunterladen von Daten um 36 Prozent gesenkt. Damit können Touristen und Geschäftsleute mit ihrem Handy in anderen EU-Ländern im Web surfen, Fotos verschicken und soziale Netze nutzen, ohne überteuerte Roaming-Rechnungen fürchten zu müssen, meldet die Europäische Kommission. Das Herunterladen von Daten oder das Surfen im Internet innerhalb der EU kostet künftig 45 Cent (alle Angaben ohne MwSt.) pro Megabyte, statt 70 Cent wie bisher.
Auch das Telefonieren im EU-Roamingtarif wird nochmals günstiger: Der Höchstpreis für einen ausgehenden Roaminganruf wird von 29 auf 24 Cent pro Minute gesenkt, und für einen eingehenden Anruf dürfen statt 8 Cent nur noch 7 Cent pro Minute verlangt werden. Der Versand einer SMS darf künftig maximal 8 Cent kosten. Beim Urlaub in Kroatien, das ab 1. Juli der EU beitritt, können Reisende besonders viel Geld einsparen, da die Kosten für die Datenkommunikation nur noch etwa ein Fünfzehntel betragen werden und SMS-Versand und Anrufe in andere EU-Länder nur noch ein Zehntel kosten werden.
Mit den Obergrenzen für Roaming-Tarife kann eine deutsche vierköpfige Familie bei der Smartphone-Nutzung während eines einwöchigen Urlaubs im Vergleich zu 2009 mehrere hundert Euro sparen. Lädt die Familie beispielsweise sieben Landkarten (1 MB pro Karte) zum Online-Navigieren herunter, können 37,18 Euro eingespart werden, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Auch das Laden von Urlaubsfotos werde deutlich billiger. Werden täglich zwei Fotos hochgeladen, zahlt die Familie statt 163,80 Euro im Jahr 2009 künftig nur noch maximal 18,07 Euro. Weitere 278,91 Euro könnten eingespart werden, wenn sich die Muster-Familie jeden Tag für 45 Minuten in soziale Netze einloggt (7,5 MB pro Tag). Für die genannte Nutzungsdauer liegt die Preisobergrenze ab Juli bei 28,22 Euro.
Die EU hat seit 2007 Senkungen der Endkundenpreise für Anrufe, SMS und Datenkommunikation um insgesamt mehr als 80 Prozent erreicht, sehr zum Leidwesen der Anbieter. Der Branchenverband BITKOM hatte mehrfach betont, dadurch würden den Unternehmen Investitionen erschwert.
Das Daten-Roaming wird 2013 verglichen mit 2007 um 91 Prozent billiger sein. Den Betreibern steht es frei, niedrigere Preise anzubieten, und einige haben bereits begonnen, Roamingaufschläge bei Sprach- und SMS-Diensten ganz abzuschaffen, oder bieten Verträge an, bei denen in verschiedenen europäischen Regionen länderübergreifend keine Roamingaufschläge berechnet werden.
Europäische Kommission verlangt zudem niedrigere Mobilfunktarife in Deutschland
Die Europäische Kommission hat die deutsche Bundesnetzagentur aufgefordert, ihre Pläne für die Mobilfunk-Zustellungsentgelte zu ändern oder zurückzunehmen. Nach den Plänen der deutschen Telekom-Regulierungsbehörde wären Mobilfunk-Zustellungsentgelte in Deutschland um über 80 Prozent höher als in den meisten anderen Mitgliedstaaten. Abgesehen davon, dass die deutschen Verbraucher überhöhte Preise zahlen, würden nach dem Vorschlag der Bundesnetzagentur auch deutsche Mobilfunkbetreiber gegenüber ausländischen Betreibern bevorzugt und damit Hindernisse im Binnenmarkt geschaffen. Zustellungsentgelte sind diejenigen Tarife, die Telekommunikationsnetzbetreiber sich gegenseitig für die Anrufzustellung zwischen ihren Netzen in Rechnung stellen. Diese Kosten schlagen sich letztlich in den Preisen nieder, die Verbraucher und Unternehmen zahlen müssen.
Kommissionsvizepräsidentin Neelie Kroes, zuständig für die digitale Agenda, erklärte dazu: „Die Schaffung eines Telekom-Binnenmarkts und der Verbraucherschutz sind absolut vorrangig. Fast alle Mitgliedstaaten legen inzwischen ihre Mobilfunkpreise auf koordinierte Weise zum größtmöglichen Nutzen für die Verbraucher und den Wettbewerb fest, und hiervon sollte es nirgendwo Ausnahmen geben.“ Die Aufforderung der EU-Kommission steht am Ende einer dreimonatigen Untersuchung, bei der das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation den Standpunkt der EU-Kommission unterstützte. Während der bereits im Februar eingeleiteten Untersuchung konnte die deutsche Regulierungsbehörde nicht überzeugend darlegen, warum sie eine Sonderbehandlung erhalten. Die deutsche Regulierungsbehörde muss der Empfehlung zufolge ihre Vorschläge entweder zurückziehen oder ändern, um sie mit dem von der EU-Kommission empfohlenen Ansatz in Einklang zu bringen. Sollte die Bundesnetzagentur dieser Empfehlung nicht nachkommen, wird die EU-Kommission geeignete rechtliche Schritte in Betracht ziehen.
Wir drücken Frau Kroes in dieser Auseinandersetzung jedenfalls die Daumen. IP