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Frankreich: Franche-Comté – mit dem TGV zu einem versteckten Kleinod

Von weithin sichtbar thront das Raubtier über die Stadt. Direkt unterhalb der uneinnehmbar scheinenden Festung von Belfort liegt er auf Lauer. Mit grimmiger Miene, buschiger Mähne und leicht geöffnetem Maul wacht der steinerne Löwe über das unter ihm liegende Belfort und die darin lebenden Menschen. In der Abenddämmerung wechselt er das Farbenspiel: von gelb in lila bis blau. Es ist eine spektakuläre Lichtinszenierung. “Aus dem roten Sandstein der Vogesen ist der Löwe von Belfort gehauen”, erzählt Aurélie Netillard: “Er ist 22 Meter lang und elf Meter hoch”, berichtet die junge, blonde Frau von Belfort Tourisme. (http://www.belfort-tourisme.com/) Der Stolz über diese imposante und Belfort prägende Statue ist der Frau anzumerken.

Überhaupt fühlen sich die Menschen dieser französischen Region – der Franche Comté – mit ihrer Heimat sehr verbunden. Bislang war diese Region für viele Touristen noch ein ziemlicher weißer Flecken. Das mag sich in Zukunft ändern. Denn die Franche Comté ist seit dem Dezember 2011 mit zwei eigenen Bahnhöfen – Belfort-Montbéliard und Besançon-Franche-Comté – an das französische Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen. Seit Ende März gibt es sogar eine direkte Verbindung nach Baden-Baden, Karlsruhe, Mannheim und Frankfurt am Main: Der doppelstöckige TGV-Euroduplex macht auf seiner knapp achtstündigen Fahrt von der Mainmetropole bis nach Marseille am Mittelmeer an beiden Bahnhöfen Halt.

Die Region wird von der TGV-Anbindung profitieren

Michael Albin vom Conseil Régional ist sich sicher, dass diese zwischen Straßburg und Lyon gelegene Region ganz erheblich von der neu gebauten Schnellbahntrasse “Rhin-Rhone” profitieren werde. 320 Millionen Euro hat die “Franche Comté” in die Infrastruktur investiert, unter anderem in die zwei TGV-Bahnhöfe. Auf diesem Streckenabschnitt zwischen Mulhouse im Elsass und Dijon erreicht der TGV-Euroduplex Spitzengeschwindigkeiten von 320 Stundenkilometern. “Stolz und glücklich” sei er, dass dank der neuen Zugverbindung noch mehr Menschen seine für ihre Ursprünglichkeit, Authentizität und historische Vergangenheit gerühmte Heimat kennenlernen können. Festungen, hoch über den Tälern liegende Schlösser, Sterneköche, Kirchen, die von einer reichen Geschichte zeugen, (echte) Zauberwälder, kristallklare Seen und Flüsse prägen diesen Landstrich. Er bietet Genuss für Gourmets, Kultur und vielerlei Aktivitäten in der freien Natur – ob auf dem Wasser, zu Land entlang der Flüsse, beim Klettern, Skifahren oder Montainbiken in den Bergen. Die Franche-Comté quillt über vor archäologischen Funden, hat eine Reihe von Weltkulturerbestätten und vielen weiteren historischen Schätzen zu bieten.

Belfort. Foto: Atout France
Belfort. Foto: Atout France

Einer davon ist eben der Löwe von Belfort. Entstanden ist das Wahrzeichen, um an den Widerstand Belforts unter Colonel Denfert-Rochereau während der 103-tägigen Belagerung von Belfort im Deutsch-Französischen Krieg vom 3. November 1870 bis 13. Februar 1871 zu erinnern. Der Löwe auf dem Hügel an der Zitadelle Belforts wurde von Frédéric Auguste Bartholdi geschaffen. Zu Ehren des 130. Geburtstages des Löwen hatte die Kunstakademie der Stadt im vergangenen Herbst eine einjährige Aktion initiiert, erzählt Aurélie Netillard: Jeden Morgen um Punkt 5 Uhr erklimmt ein Bürger der Stadt als “Nachtwächter” eine kleine Aussichtsplattform auf der Wehrmauer der Zitadelle und dokumentiert in Worten und Fotos diesen Moment.

Übrigens gab es lange Bauzeiten und Streit um den Verlauf der Bauprojekte schon früher – nicht erst seit den Großprojekten Elbphilharmonie und dem Berliner Flughafen in Deutschland – denn offiziell wurde das Löwendenkmal erst 2001 eingeweiht.

Zu Ehren des Schöpfers des majestätischen Löwen von Belfort wurde aktuell im geschichtlichen Museum der Zitadelle ein eigener Ausstellungsbereich – der “Espace Bartholdi” – eingerichtet, der den Besucher durch Leben und Werk des berühmten Bildhauers führt. Um eine möglichst umfassende Sammlung präsentieren zu können, hat das Museum mehrere Exponate restauriert, die bislang in den Archiven gelagert waren.

Unter dem Schutz des Löwen

Überhaupt lädt die vom Festungsbaumeister und Marschall Sébastien Le Prestre de Vauban (1633–1707) errichtete Zitadelle die Besucher zu Entdeckungen der besonderen Art ein: Bei einem Rundgang mit einem Audioguide können sie entlang der Gräben und Bastionstürme mehr über die Geschichte der Bauwerke und der Stadt erfahren. Im Untergrund erwarten die Besucher zudem interessante Szenen mit Ton- und Lichtspektakeln, die die großen Persönlichkeiten, die einst zur Freiheit Belforts beigetragen haben, wieder zum Leben erwecken. Und für die kleinen Geschichts-Fans gibt es einen Quiz-Rundgang, der sie spielerisch durch die einzelnen Jahrhunderte führt.

Ansonsten können sich die Besucher in den charmanten Gässchen der Altstadt, die zwischen der Zitadelle und den Befestigungsanlagen und unter dem wachsamen Auge des Löwen verlaufen, treiben lassen. Außerdem können die Gäste traditionelle Spezialitäten aus der Region kosten, verschiedene Festivals zu Literatur und Musik besuchen und vor den Toren der Stadt das “Territoire de Belfort” samt einer beeindruckenden Landschaft erkunden.

Pflicht für Autofans, das Peugeot-Museeum. Foto: Atout France
Pflicht für Autofans, das Peugeot-Museeum. Foto: Atout France

Eigentlich wurde es auch Zeit, dass der TGV in Belfort, der zweitgrößten Stadt der Franche-Comté einen Stopp einlegt: Immerhin ist hier das Alstom-Werk beheimatet, das die TGV-Loks baut.

Überhaupt hat die Industrie die Region entscheidend geprägt. Beispielsweise hat noch ein weiterer großer Hersteller in der Nähe seine Fabrik: Peugeot, der noch älteste existierende Automobilfabrikant der Welt (in Serie seit 1891), der heute mit Citroën einen Teil der PSA-Gruppe bildet. Das Musée de l’Aventure Peugeot (http://www.musee-peugeot.com) an der historischen, vor exakt 100 Jahren entstandenen Produktionsstätte in Sochaux ist ein lebendiges Beispiel für Industrie- und Designgeschichte. Anfangen hat alles 1810 mit Ölmühlen, später kamen die berühmten Kaffee- und Pfeffermühlen, der Fahrradbau und schließlich die Autos hinzu.

Mit einem deutschsprachigem Audioguide kann der Besucher das Museum erkunden, das einen chronologisch durch die Firmengeschichte führt, die zugleich eingebettet ist in weltumwälzende Ereignisse. Das Museum beeindruckt mit seinen Ausstellungsobjekten: prunkvolle Oldtimer aus den Pionierjahren des automobilen Zeitalters bis hin zu ultramodernen Karosserien. Für Kinder gibt es eine spezielle Version des Audioguides mit einem Quiz.

Mit dem Hausboot nach Besançon

Von Sochaux führt der Weg über die Autobahn in Richtung Süden nach Dole im angrenzenden Départment Jura – ein architektonisches Kleinod malerisch am Fluss Doubs gelegen. Von Dole aus kann man sogar auf einem Hausboot, das man sich ohne Führerschein mieten kann, über die Doubs entlang schippern – bis nach Besançon, der heutigen Hauptstadt der Franche-Comté. Früher war Dole die Hauptstadt der Franche-Comté und der Grafschaft Burgund, wie Gästeführerin Martine Beuraud schon gleich zu Beginn des Rundgangs durch das Örtchen erzählt. Und so säumen prächtige Bauten und elegante Stadthäusern die Gassen und Straßen. Blickfang in der Altstadt und vom Flussufer aus ist die alles überragende Stiftskirche “La Collégiale” aus dem 16. Jahrhundert.

Trotz der baulichen Imposanz des Gotteshauses war Dole aber nie Bischofssitz, wie die Gästeführerin leicht ironisch anmerkt. Der Weg führt durch die Gassen zum Geburtshaus des berühmtesten Sohnes von Dole: Louis Pasteur. Weltruhm erlangte er durch das von ihm entwickelte und nach ihm benannte Verfahren des Pasteurisierens. Das Haus, in dem Pasteur seine Kindheit verbrachte und in das er auch danach häufig zurückkehrte, können Besucher heute noch im Originalzustand aus dem 19. Jahrhundert als Museum besichtigen. Neben dem berühmten Labor Pasteurs zeigt es auch die Entdeckungen und Details aus dem alltäglichen Leben des Wissenschaftlers.

Von Dole per Hausboot bis nach Besancon shippern. Foto: Atout France
Von Dole per Hausboot bis nach Besancon shippern. Foto: Atout France

Neben dem Haus führt ein kleiner Weg direkt zu einem der Gerberkanäle, die die Stadt durchziehen. Entlang der Kanäle haben sich eine Reihe hübscher Restaurants angesiedelt, die eine romantische Kulisse abgeben. “Im Sommer ist das hier sehr angenehm. Denn das Wasser kühlt ein wenig. Aber man sich vor den Mücken in acht nehmen”, erzählt unser Guide. Über kleine Kanäle und entlang schmucker Häuserfronten, vorbei an Gärten führt der Weg weiter zur Bibliothek und Mediathek. Einst befand sich in dem prächtigen Renaissance-Bau ein Spital, später ein Hospiz und beherbergt heute die Bibliotheks-Verwaltung sowie das “Archive de Patrimoine”.

In der Nähe mündet ein Gerberkanal in die Doubs, wo sich auch der Hausbootsanleger befindet. An einem entfesselten Seitenarm der Doubs, wo Kajakfahrer am trainieren sind, liegt malerisch eine Mühle, die aber heute in ein exquisites Restaurant umgewandelt ist: Vorzüglich kann der Gast in der “Moulin des Ecorces” zu annehmbaren Preisen speisen, Vorspeisen ab elf Euro, Hauptspeisen ab 22 Euro und Nachspeisen ab sieben Euro.

Überhaupt bestätigt sich, dass die Franche-Comté ein ausgezeichnetes Reiseziel für Gourmets ist.

Sonja Thelen (ergänzt durch Ingo Paszkowsky)


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Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, PR-Agenturen und bzw. oder Tourismus-Behörden.
Unsere Berichterstattung ist davon unabhängig. Die Unterstützung hat keinen Einfluss auf Inhalt, Ausrichtung oder Tonalität unserer Artikel.


Titelfoto / Der Löwe wacht über Belfort. / Foto: Atout France


Weitere Einblicke und Aussichten:

Dole. Foto: Atout France
Oldtimer im Peugeot-Museum. Foto: Sonja Thelen
Oldtimer im Peugeot-Museum. An einigen Autos wird noch geschraubt. Foto: Sonja Thelen
Herrliche Aussichten. Foto: Atout France
Reichlich Wasser. Foto: Atout France
Die Vogesen. Foto: Atout France
Foto: Atout France

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